Vierzehn Jahre ist es her, dass ich Rasheed zum ersten Mal traf. Die Tür ging auf, ich vernahm ein glucksendes Lachen, und ein fröhlicher Mann mit wachen Augen und einem wilden Schopf grau melierter Haare zog mich aus dem Regen ins Trockene. Er führte mich ein paar Stufen hinauf in ein Zimmer, in dem es köstlich nach Hühnchen duftete, setzte mich an einen Tisch, holte aus der Küche zwei übervolle Teller – und die Fragen begannen. Statt uns mit Plattitüden aufzuhalten, kamen wir gleich zum Kern der Sache: Kunst und Politik. Später verstand ich.
Rasheed, 1935 in Karatschi geboren, war als Gründungsherausgeber und treibende Kraft von Third Text hoch geschätzt, jenem couragierten Magazin, in dem sich alles um kritische Texte und kulturelle Dekolonisation dreht. Das Suchen, Unterstützen und Anspornen aufstrebender Talente gehörte für ihn zum Alltag, war ebenso selbstverständlich und liebenswert, wie für einen Fremden ein Mahl zu bereiten. Als kollaboratives Projekt entwickelte sich Third Text zu einem wichtigen globalen Forum, doch über hundert Ausgaben blieb es untrennbar mit der sich ständig weiterentwickelnden künstlerischen Praxis seines Gründers verbunden. Dazu gehört, wie ich erfahren sollte, eine Reihe skulpturaler Arbeiten, die den britischen Minimalismus wesentlich beeinflussten. Zudem forderten Rasheeds Texte (unter anderen „Preliminary Notes for a BLACK MANIFESTO“, 1975/76) und Performances (zum Beispiel Paki Bastard, 1977) den selbstgefälligen, gönnerhaften Rassismus heraus, der London und seine Kunstszene kennzeichnet(e).
Das 1987 gegründete Magazin Third Text folgte auf Black Phoenix, eine antirassistische, antiimperialistische Zeitschrift, die Rasheed gemeinsam mit Mahmood Jamal herausgegeben hatte. Wie viele andere fand ich in Third Text eine Heimat, einen Ort, dessen Wärme und Lebendigkeit sich Rasheeds Großzügigkeit und unermüdlicher Leidenschaft verdankten. 2012 dann der Schock: Das Magazin wurde von seinem eigenen Verwaltungsrat gekapert und – unrechtmäßigerweise – weitergeführt. Das haben wir ebenso wenig vergessen wie die Tatsache, dass wir noch immer von Rasheed lernen können – etwa die Bedeutung von Widerstandsfähigkeit: So setzt er sich in seiner Praxis unbeirrt und radikal für eine soziale Kunst ein, die sich mit transformativen Formen der Zusammenarbeit beschäftigt, um Verlust produktiv zu verarbeiten. Die in den Beiträgen zu Art Beyond Art (2010) vorgeschlagenen „ökoästhetischen“ Projekte sind als Anstoß zu verstehen, unser Verhältnis zu den Berührungszonen von Natur und Kultur – Land, Meer, Ort – neu zu denken.
Rasheed sieht seine Praxis als eine Reise, die durch Unterbrechungen, Abschweifungen, Hindernisse und deren Überwindung gekennzeichnet ist. Für mich verkörpert und erneuert sie eine Diskussion, die nie zu Ende ist. Im letzten April erhielt ich eine E-Mail: Er sei in Athen, bereite etwas für die documenta 14 vor. Eine Woche später saßen wir in Monastiraki beim Essen, gemeinsam mit Marina Fokidis. Der Kern der Sache, wie eh und je: Kunst und Politik.
— Gene Ray