„Also weißt du, Terre, du hast wirklich mit allem ein Problem.“ Dieser Kommentar fiel 2013 in einer Veranstaltung in der Tate Modern mit dem sperrigen Titel „Charming for the Revolution: A Congress for Gender Talents and Wildness“. Thaemlitz (1968 in Minnesota geboren, derzeit in Kawasaki, Japan, lebend) hatte in der Frage-Antwort-Runde des Symposiums gerade Bedenken zu den Rollenvorbildern geäußert, die in einem prominenten Queer-Manifest zum Einsatz kamen (einer Mischung aus Popmusik und Avantgarde-Kunst). Als Reaktion legte Thaemlitz ihre Zweifel noch ausführlicher dar, ganz im Sinne ihres an anderer Stelle geäußerten Gedankens: „Ich betone die Notwendigkeit von Negativitätsstrategien als Antwort auf dieses kulturelle Klima eines aufgezwungenen Optimismus und die Erfahrung, dass mir anderenfalls unglaublich wenige Möglichkeiten des Diskutierens oder gar Handels zur Verfügung stehen.“ Es ist offensichtlich, dass Thaemlitz diese Strategien und Möglichkeiten hier weder in einem Queer-Manifest noch in der Sphäre der Queer Studies verwirklicht sieht. Für sie liegt der strategische Nutzen des Wortes „queer“ in der Tatsache, dass es nach wie vor für homophobe Beleidigungen verwendet wird.
Ganz im Einklang mit den Geisteswissenschaften, aus denen es in den 1980er Jahren hervorging, stützt sich das Forschungsfeld der Queer Studies heute weitgehend auf den Glauben an die „Ästhetik“ als Paradebeispiel für Zivilisiertheit und Bildung. Dabei wird jedoch oft vergessen, dass eine ästhetische Erziehung im Sinne Friedrich Schillers in erster Linie darauf abstellte, den Drang zur Rebellion und das damit verbundene Potenzial für Klassenkämpfe und Gewalt auszuschalten. Dieses Modell dient seit Langem dazu, die potenziell verstörende Wirkung von Wörtern abzumildern – und damit der negativen und potenziell zerstörerischen Stoßkraft kritischer Gedanken und Fragen entgegenzuwirken, die so unerlässlich ist. Ein augenfälliges Beispiel im Bereich der Queer Studies ist Jack Halberstams Behauptung, dass „uns das Scheitern bisweilen kreativere, kollaborativere und überraschendere Möglichkeiten eröffnet, in der Welt zu sein“. Mit derartigen Attributen versehen verliert das Scheitern als bewusst gewählter Tropus queerer Identität offensichtlich seine zersetzende beziehungsweise negative Wirkung. In ihrer Praxis, vor allem im Bereich Sound und hier insbesondere in ihrer elektroakustischen Musik und den kritischen Kommentaren, die sie „begleiten“ – man denke speziell an die Aufnahmen von Lovebomb (2003) und Soulnessless (2012) – sucht Thaemlitz in den populären Phantasmen von Nächstenliebe und Spiritualität („Liebe“, „Seele“) erbarmungslos nach Dissonanzen – Dissonanzen, die mit ebendiesen Trugbildern verheimlicht oder ausgelöscht werden sollen. Doch die Dominanz des ästhetischen Modells ist so überragend, dass uns nicht selten Inkongruenzen oder Missklänge entgehen, die sich in einfachsten Dingen verbergen – man denke nur an Ausdrücke wie „Gender Talents“ oder gar „Queer Pride“.
— Dean Inkster