Wir haben zwei Kuratoren der documenta IX – Pier Luigi Tazzi und Denys Zacharopoulos – gefragt, wie es sich für sie angefühlt hat, in den Jahren des kommunistischen Zusammenbruchs zu arbeiten, und bekamen überraschende Antworten. Die beiden mieden Klischees ebenso wie Theoretisierungen und erwiesen sich als faszinierende Gesprächspartner. Sie sahen das Kunst- oder auch Geschichte-Machen als intuitiven, spontanen und freudvollen Umgang mit dem Chaos (ohne jede Gewissheit, auf der „richtigen Seite“ der Geschichte zu stehen). Das hat uns heute, da die Schlagzeilen immer neue Krisen verkünden (Krisen der Einwanderung, der Wirtschaft, der Demokratie) und sich unter deren Oberfläche tiefere Krisen des Geistes, der Libido, der Fantasie erahnen lassen, noch oder wieder viel zu sagen. Wir nutzen das im Entstehen begriffene Monument to Revolution von Sanja Iveković (nur wenige Schritte entfernt von der zurzeit von Denys Zacharopoulos geleiteten Städtischen Galerie) ganz in seinem Sinne, indem wir uns dort versammeln, uns eine aus den Verwirrungen der Gegenwart hervorgehende Zukunft ausdenken und darauf anstoßen. Moderiert von documenta 14-Kuratorin Monika Szewczyk.
Denys Zacharopoulos ist Kunsthistoriker und Kritiker. Er hat in Frankreich Geschichte und Theorie der Kunst studiert. 1992 war er Leiter der Domaine de Kerguéhennec in der Bretagne und Kurator der documenta 9. 1999 kuratierte er den französischen Pavillon der Kunstbiennale in Venedig. Er war als Berater zahlreicher öffentlicher Sammlungen tätig, außerdem als Generalinspektor des französischen Kultusministeriums und Universitätsprofessor in Genf, Grenoble, Wien, Amsterdam, Athen und auf Lesbos. Zacharopoulos hat zahlreiche kunstwissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Er lebt und arbeitet zurzeit in Griechenland.
Pier Luigi Tazzi kam 1941 in Colonnata, Florenz, Italien, zur Welt und lebt heute in Capalle, Florenz, sowie in NongPrue, ChonBuri, Thailand. Der Kunstkritiker und Kurator ist seit 1998 Vorsitzender der gemeinnützigen Organisation Fondazione Lanfranco Baldi in Pelago. 2016 war er Gründungsmitglied von Cantiere Toscana.
Monika Szewczyk ist unter anderem Kuratorin der documenta 14 und Mitglied – unter anderem – der Army of Beautiful Women.