Alberto Grifi, 1938 in Rom geboren und 2007 ebenda gestorben, war ein italienischer Experimentalfilmregisseur. Er begann seine Tätigkeit auf dem Feld der Kunst als Pionier des Underground-Kinos und erwies sich bald als einer der großen Vertreter des Video-Aktivismus und der Gegeninformation. Die Beziehung zwischen Grifi und dem italienischen Staatsfernsehen ließe sich als nicht enden wollender, radikaler Konflikt beschreiben.
Michele alla ricerca della felicità (1978), Alberto Grifi, Italien, 23 Min.
Ital. mit engl. Untertiteln
Vom italienischen öffentlich-rechtlichen Sender Rai 2 erst in Auftrag gegeben und dann zensiert, folgt Michele alla ricerca della felicità Michele, einem politischen Gefangenen, der die Gewalt und die Raserei der Wächter gegenüber einem drogenabhängigen Gefangenen bezeugt hat. Das Drehbuch entstand unter Mitwirkung des Fachmanns für psychotrope Substanzen, dem italienischen Soziologen Guido Blumir, und lässt keinen Spielraum für optische Täuschungen. Das Gefängnis, in dem Michele interniert ist, wird auf eine strenge, spartanische und minimalistische Weise dargestellt.
Argonauti, Evviva! (1968), Alberto Grifi, Italien, 18 Min.
Ital. mit engl. Untertiteln
Argonauti, Evviva! bezieht sich auf die Theorien des österreichischen Psychiaters Wilhelm Reich zu „Orgon“, der kosmischen Energie von Orgasmen, aber auch auf die psychedelische Bewegung. In dem experimentellen Kurzfilm klingt das Genre der dystopischen Science-Fiction an, und er ist mit der Musik von Alvin Curran und Musica Elettronica Viva (MEV) unterlegt. Grifi bestückt diesen „Experimental Short“ mit leuchtenden, strahlenden Farbtupfen, Prismen, Kaleidoskopen und delirierenden Off-Stimmen.
Lia (1977), Alberto Grifi, Italy, 26 Min.
Ital. mit engl. Untertiteln
Grifi filmte die Anti-Psychatrie-„Gegen-Konferenz“, die in der Communication Factory abgehalten wurde, der ehemaligen Kirche des San Carpoforo in Brera, Mailand, die das Laboratorio di Comunicazione Militante beherbergte und eine Gegenveranstaltung zu der offiziellen psychiatrischen Konferenz darstellte, die vom Philosophen Armando Verdiglione vom 25. bis 28. November 1975 organisiert worden war. Lia konzentriert sich auf die Rede einer Studentin (Lia) in einer einzigen, ungeschnittenen Aufnahme. Die Hauptperson ist eine junge Frau, die die Ideologie der Militanten mit einem verstörenden Erfahrungsbericht attackiert. Der Film setzt ein, als Lia eine ernste Anschuldigung hinsichtlich ihres Bruders vorträgt, der erhängt in einer psychiatrischen Einrichtung gefunden worden war.
Anna (Exzerpt, 1975), Alberto Grifi and Massimo Sarchielli, Italien, 30 Min.
Ital. mit engl. Untertiteln
Anna ist ein Kultfilm und radikales Epos über das Versagen der Alternativkultur, die von den Umständen ihre Grenzen und ihre eigene Kleingeistigkeit aufgezeigt bekommt. Gedreht hat Grifi den Film zusammen mit dem Schauspieler Massimo Sarchielli. Sarchielli hatte die 16-jährige Anna gegen Ende der 1960er Jahre in Rom getroffen. Schwanger, drogenabhängig und unter Depressionen mit Suizid-Tendenzen leidend, war das Mädchen aus mehreren Besserungsanstalten in Frankreich entflohen. Der Film dokumentiert die Weigerung der Schauspieler, sich der Autorität der Regie und des Drehbuchs zu unterwerfen, sodass Gehorsamsverweigerung nicht nur Thema des Films (Anna), sondern auch Thema der Filmenden ist.
25. August: Mit einer Präsentation von Marco Scotini
Marco Scotini ist ein italienischer Kurator, Autor und Kunstkritiker sowie künstlerischer Leiter des FM Center for Contemporary Art in Mailand.
Das Filmprogramm TV Politics nimmt einige der wichtigsten Versuche seit Mitte des 20. Jahrhunderts neu in den Blick, die eine radikale Herangehensweise an die Politik des Fernsehens ausdrückten. Gezeigt werden Filmarbeiten, die überdenken wollten, was das Fernsehen sein kann, während sie zugleich versuchten, eine andere Art der Analyse der sozialen und kulturellen Realität vorzunehmen.