Im Jahr 1685 definierte der sogenannte Code Noir rechtswirksam den Status und die Pflichten – nicht allerdings die Rechte – ganzer Klassen der Menschheit auf der Basis ihrer Hautfarbe. Die Artikel des Dekrets hatten normativen Anspruch. Ihre Auswirkungen durchdrangen in den Gesellschaften der Neuen Welt, ganz besonders im amerikanischen Süden, das Denken und prägten Gesetze, die gesellschaftliche Ordnung und den sozialen Umgang.
Den Herrscher, der es erließ, gibt es nicht mehr, sein Regime und dessen Regierungsform sind abgeschafft, das Imperium längst aufgelöst. Die Theorien und Implikationen des Dokuments gelten als überholt und wurden in unseren Köpfen und unserer Selbsteinschätzung durch so wertvolle Schriften wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ersetzt.
Und trotzdem gemahnen uns die Wiederkehr von Praktiken wie der Verhaftung von Gangs oder dem Verbannen von Büchern aus Gefängnisbibliotheken, Folterberichte sowie die „lebenden Toten“ in Einzelhaft Jahr für Jahr und Fall für entsetzlichen Fall daran, dass zumindest in den Vereinigten Staaten die Vergangenheit weiterlebt – wie es auch die fantastische Rede von Mitch Landrieu, dem Bürgermeister von New Orléans, vor ein paar Wochen eindrücklich deutlich gemacht hat. In diesem performativen Monolog stelle ich einen rituellen Bezug zu einem Dokument her, das noch nicht tot ist. So wie auch William Faulkner geschrieben hat: „Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist nicht einmal vergangen.“
Colin Dayan ist Robert Penn Warren Professor in den Geisteswissenschaften an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Zu ihren Buchveröffentlichungen zählen: Haiti, History, and the Gods; The Law is a White Dog: How Legal Rituals Make and Unmake Persons und With Dogs at the Edge of Life. Demnächst erscheinen ihre Erinnerungen unter dem Titel Blue Book.