Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch von 2001 entwickelte sich in Argentinien ein körperpolitisch geprägter Diskurs, der vehement zur Auseinandersetzung mit der schmerzvollen diktatorischen Geschichte des Landes drängte. Ein Projekt namens Memoria en Construcción (Erinnerung im Aufbau) brachte die bis dahin tabuisierte Folter in den gefürchteten Geheimgefängnissen der Éscuela de Mécanica de la Armada (ESMA) ans Licht der Öffentlichkeit, machte aus dem Gebäude ein Museum und bot Führungen durch die Folterkammern an. Auch in Griechenland, Spanien und Portugal werden seit den jüngsten Konjunktureinbrüchen die politischen Strukturen und Prozesse nach dem Ende autoritärer Herrschaft kritischer betrachtet. Es lässt sich eine zweite Welle der Aufarbeitung der Geschichte beobachten. Der Wandel in den sozioökonomischen Modellen und politischen Paradigmen erzwingt auch eine Neubewertung dieser Demokratisierungsprozesse und stellt die Qualität der Demokratie als solche infrage. Zudem erweisen sich soziale Bewegungen nahe an der Basis häufig als Hüter der Erinnerung an eine schmerzvolle Vergangenheit. Kornetis stellt den Umgang mit gewalttätiger Vergangenheit am Beispiel des heutigen Griechenlands in den Mittelpunkt seiner vergleichenden Betrachtung. Er widmet sich besonders der Frage, wie aus dem privaten Erleben von Folter und Leid ein öffentliches Wissen wird.
Kostis Kornetis ist UC3M CONEX-Marie Curie Fellow im Fachbereich Geschichte der Universidad Carlos III in Madrid. Er forscht zur Geschichte und Erinnerung der 1960er Jahre, zu Methoden der Oral History und zum Film als sozial- und kulturgeschichtlichem Quellenmaterial. Sein Buch Children of the Dictatorship. Student Resistance, Cultural Politics and the “Long 1960s” in Greece erschien 2013 und wurde 2015 mit dem Edmund Keeley Book Award ausgezeichnet. Derzeit arbeitet er an einem Buch zum öffentlichen Gedenken in den Demokratisierungsprozessen Südeuropas und Lateinamerikas.