Michail Bachtin zufolge bindet der Chronotopos die zeitlichen und räumlichen Bezüge einer Erzählung an den ideologischen und politischen Kontext, aus dem sie hervorgegangen sind. Dadurch erst erhält die Zeit künstlerische Gestalt. Sie „setzt Fleisch an“, wie Bachtin schreibt. Ebenso lädt sich der Raum mit den Bewegungen der Zeit, Handlung und Geschichte auf. Das Fleisch der Zeit umschließt das Gewebe der Erfahrung: Erfahrung von Schmerz, Macht, Erniedrigung, Bedrohung, Ausgeschlossensein. Der Raum indiziert Zeit und ihre Inhalte und sogar wann sie diese angenommen hat. Er ist von ihr gesättigt und muss ihre Dystopien ausagieren, ob in den griechischen Folterkammern der EAT/ESA oder in der Villa Grimaldi in Chile, auf den jugoslawischen Gefängnisinseln Goli Otok und Sveti Grgur, in den Geschichten der Apachen von Keith Basso oder den verschiedenen Gedenkstätten und Touristifizierungen des Holocaust. Was genau wird zum Objekt des touristischen Blicks, wenn solche Stätten touristifiziert werden (also das Äquivalent einer Gentrifizierung durchmachen)? Wie kann rohe Macht vor der brutal nivellierenden Wirkung des touristischen Blicks bewahrt werden?
Neni Panourgia ist Visiting Associate Professor of Anthropology an der New School for Social Research (2013-2017) und Senior Research Fellow am Institute for Comparative Literature and Society der Columbia University. Sie leitet ein Projekt zum Altern, unterstützt von der Andrew Mellon Foundation, und unterrichtet als Adjunct Associate Professor am Institut für Psychologie der Columbia University, New York, im Rahmen eines Pilotprojektes, das einen Master-Studiengang im Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing im Staat New York durchführt. Sie hat unter anderem die Bücher Dangerous Citizens. The Greek Left and the Terror of the State (2009) und Fragments of Death, Fables of Identity. An Athenian Anthropography (1996, mit George E. Marcus) veröffentlicht.