Die documenta 14 gehört niemandem im Besonderen. Ihre Teilhaber_innen sind ihre Besucher_innen und Künstler_innen, ihre Leser_innen und Autor_innen sowie all jene, durch deren Arbeit sie verwirklicht wurde.
Am Sonntag, den 17. September 2017, nach 163 Tagen mit Konzerten, Filmvorführungen, Lesungen, Performances, Gesprächen und der Präsentation von Werken von über 160 internationalen Künstler_innen, öffneten die Veranstaltungsorte der documenta 14 in Kassel zum letzten Mal ihre Türen für das Publikum.
Mehr als eine Million Besucher_innen sahen die Ausstellung in beiden Städten während der Laufzeit von 163 Tagen. Das macht die documenta 14 zur meistbesuchten Ausstellung zeitgenössischer Kunst aller Zeiten.
Während der 100 Tage der documenta 14 in Kassel wurden 891.500 Besucher_innen begrüßt, die Events und die Werke im öffentlichen Raum besuchten. 65 Prozent der Besucher_innen kam aus Deutschland und die restlichen 35 Prozent aus 76 Ländern der Welt. Von diesen waren 32.800 Schüler_innen, über 14.500 waren Inhaber_innen der Dauerkarte, 14.500 waren Fachpublikum und 11.150 waren Pressevertreter_innen. 19.750 Besucher_innen besuchten die verschiedenen Veranstaltungen der Öffentlichen Programme und die weiteren Performances in Kassel.
In Athen wurden die Ausstellungsorte der documenta 14 über 339.000 Mal besucht, sodass die documenta 14 die bestbesuchte Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit mehreren Ausstellungsorten in der Geschichte Griechenlands ist. Beinahe die Hälfte der Besucher_innen kam aus Griechenland; 25 Prozent kamen aus Deutschland; die übrigen Besucher_innen kamen aus über fünfzig verschiedenen Ländern.
Die documenta 14 in Athen hieß über 2.200 Pressevertreter_innen willkommen. 5.750 Fachbesucher_innen reisten während der Vorbesichtigung und der Ausstellungsdauer zur documenta 14 nach Athen und 2.500 Schüler_innen besuchten die Ausstellung.
700.000 hörten das Radioprogramm der documenta 14, Every Time A Ear di Soun, online. Das Programm, eine Zusammenarbeit der documenta 14 mit Deutschlandfunk Kultur, war während der gesamten Laufzeit der Ausstellung auf Sendung. Neun Radiosender in Griechenland, Kamerun, Kolumbien, dem Libanon, Brasilien, Indonesien, den USA und Deutschland stellten eine weltweite Kunstausstellung im Radio zusammen.
Neben ihrem Programm in den jeweiligen Landessprachen sendeten die Radiostationen täglich mehrere Stunden sowohl eigens für die documenta 14 produzierte Werke als auch neu erschlossene Archivmaterialien und Aufnahmen aus den Öffentlichen Programmen der documenta 14. Begleitet wurde Every Time A Ear di Soun von Live-Auftritten, in denen es unter anderem um Themen wie die Phänomenologie des Klanglichen, Klang als Medium historischer Narration, Frantz Fanons Vorstellung vom Radio als Mittel des Widerstands und Rudolf Arnheims Begriff vom Weltbild des Radios ging.
119.000 Besucher_innen machten einen Spaziergang mit einem Mitglied des Chors. Die Wege, Routen und Parcours der Besucher_innen kreuzten und verflochten sich, wenn sie sich auf ihre Reise durch Athen und Kassel begaben. Bei einem Spaziergang mit einem Mitglied des Chors der documenta 14 konnten die Besucher_innen ihre eigenen Perspektiven einbringen, hinterfragen und miteinander ins Gespräch kommen, während sie die Ausstellung entdeckten und enträtselten.
„Eine Erfahrung“ war die offene Suche aller Besucher_innen der documenta 14, Kunst auf verschiedene Art und Weise zu hinterfragen, zu diskutieren und darüber nachzudenken.
Das Programm entwickelte gemeinsame Projekte mit Bildungseinrichtungen sowie künstlerischen und nachbarschaftlichen Initiativen, die mit Projekten von Künstler_innen der documenta 14 in Verbindung stehen. „Eine Erfahrung“ wollte ein breites und vielschichtiges Publikum erreichen, das offen über die soziale Rolle von Kunst und Künstler_innen in der heutigen Gesellschaft nachdenkt. „Was verändert sich?“ „Was treibt?“ „Was bleibt?“ lauten die drei Fragen, die die Atmosphäre für das Vermittlungsprogramm „eine Erfahrung“ der documenta 14 schufen, in der das Verhältnis von Kunst, Bildung und der Ästhetik des menschlichen Zusammenlebens durch die kollektive Aktivierung des Körpers im Wechsel von Tag und Nacht untersucht wurde. Was bedeutet es, zueinander zu finden? Wie und wo finden wir zueinander? Und was können wir bewegen, wenn wir zueinander finden?
Die Öffentlichen Programme der documenta 14 – das Parlament der Körper – sind entstanden aus den Erfahrungen des sogenannten „langen Sommers der Migration“ in Europa, der nicht nur ein Versagen der repräsentativen demokratischen Institutionen der Moderne, sondern auch ein Versagen ethischer Praktiken der Gastfreundschaft offenbarte. Das Parlament lag in Trümmern. Das wahre Parlament jedoch kam auf der Straße zusammen, als Versammlung der nicht-repräsentierten Körper ohne Papiere, die sich Sparmaßnahmen und fremdenfeindlicher Politik widersetzten.
Während eines gesamten Jahres war das Parlament der Körper mit seinen Gesellschaften als dissonante und zugleich synchrone Praxis der Vielstimmigkeit und Verschiedenartigkeit aktiv – begonnen im September 2016 in Athen, mit dem Umzug im April 2017 nach Kassel, bis zum Ende im September 2017. Über 300 Künstler_innen, Aktivist_innen, Denker_innen und Schriftsteller_innen nahmen an den Veranstaltungen teil. 112.203 Zuschauer_innen verfolgten die Öffentlichen Programme der documenta 14 im Livestream.
Nomadisch und performativ arbeitete das Parlament der Körper als staatenlose Heterotopie mittels Vervielfachung und Verlagerung und agierte nicht nur innerhalb der Ausstellungsräume, sondern auch innerhalb der städtischen Räume (Theater, Vereine, Ateliers, Plätze ...), die mit neuen Formen von Souveränität jenseits der Norm experimentieren.
Aus den vielen Offene-Form-Gesellschaften, die in Athen und Kassel tätig waren, möchten wir insbesondere die Arbeit der Gesellschaft der Freund_innen von Halit Yozgat und Pavlos Fyssas anerkennen, die sich für die Vernetzung von Solidarität zwischen antifaschistischen und antirassistischen Bewegungen in Griechenland und Deutschland einsetzen.
Zeitgleich mit der Schließung der Ausstellung in Kassel wurde die vierte und letzte Gastausgabe von South as a State of Mind online veröffentlicht, die sich mit den Themen Gewalt und Aufopferung beschäftigt. In visuellen und textuellen Essays, aber auch Lyrik, Fiktion und Briefen, erforschen einige der überzeugendstend zeitgenössischen und historischen Autor_innen, Denker_innen und Künstler_innen die Sprachen von Gewalt und Transformation. South as a State of Mind ist 2012 als Zeitschrift von Marina Fokidis in Athen gegründet worden. Seit Anfang 2015 ist das Magazin vorübergehend das Journal der documenta 14, für das Quinn Latimer, die Chefredakteurin der Publikationen der documenta 14, und Adam Szymczyk, der Künstlerische Leiter der documenta 14, vier Sonderausgaben herausgegeben haben. Alle Ausgaben können online gelesen werden.
Das Publikationsprogramm der documenta 14 hat sich in seinen verschiedenen Erscheinungsformen durch das Interesse an Sprache, Lektüre und Rede – ihren Gebrauch, ihren Missbrauch sowie ihre Wirkungsmacht in öffentlicher Rhetorik oder privatem literarischen Schaffen –, leiten lassen. In den Publikationen der documenta 14 wird die Sprache selbst zum Gegenstand der Erkundung; sie wird nicht einfach ästhetischen, politischen oder diskursiven Regimen unterworfen. All die verschiedenen Formen, in denen Sprache erscheint – als Brief, Geschichte, Parabel, Essay, Tagebuch, Sprechakt, amtliches Dokument, Propaganda, Poesie sowie anderen literarischen Hybriden – und in denen sie unser Sein in der Welt und die Art, wie wir sie lesen, strukturiert, haben Eingang in die Veröffentlichungen der documenta 14 gefunden. Dazu gehören das Magazin South as a State of Mind und Der documenta 14 Reader, eine kritische Anthologie, die Fragen der Ökonomie, der Sprache und der Kolonialität der Macht behandelt, sowie das documenta 14: Daybook, das den an der documenta 14 beteiligten Künstler_innen gewidmet ist. In diesen Publikationen kommen weit gesteckte kunsthistorische und politische Anliegen zum Ausdruck, wobei ihr Fokus auf den täglichen Aktivitäten und Praktiken der Künstler_innen und Autor_innen und den darin erscheinenden Formen des Widerstands liegt.