Als der israelische Filmemacher David Perlov starb, hinterließ er Dutzende Hefte, deren Seiten mit Epigrammen, Texten für Filme, biografischen Notizen, Bildern zu Texten und Texten zwischen Bildern gefüllt waren. In den frühen 1970er Jahren, als die Auftragslage für Regisseure schlecht war, geriet er in eine kreative Sackgasse. Aus dieser befreite er sich mit einem Alternativentwurf, der auch eine neue ethische und ästhetische Herangehensweise darstellte: ein Tagebuch — aber kein literarisches, sondern ein filmisches. Auf die damals in Israel übliche Forderung nach einer zionistischen Botschaft, frei von aller unnötigen Komplexität, antwortete Perlov mit einer fortgesetzten Autobiografie, die grundsätzlich unabgeschlossen bleiben sollte. Dort, wo man vom Persönlichen absehen wollte, wählte er als Antwort und Ausgangspunkt ein Close-up aufs Persönliche. In einem seiner Hefte schrieb er:
Ich kaufe eine Kamera
Ich will selbst und für mich filmen
Vor allem anonym
Es wird eine Weile dauern bis ich weiß
wie man das schafft
Hier streift die persönliche Krise eines Künstlers einen kollektiven Umbruch: als Perlov an seinem Film zu arbeiten begann, brach im Oktober 1973 der Jom-Kippur-Krieg aus. Seine ersten Vorzeichen wurden von Perlovs Kamera durch ein Fenster festgehalten — angsterfüllte Gläubige, die eine Synagoge auf der anderen Seite der Straße verlassen und aus ihren Transistorradios den Aufrufen zur Mobilmachung der Reservisten lauschen. In der Geschichte des Kinos gibt es kein anderes Beispiel eines persönlichen Filmtagebuchs, für das ein Krieg wesentlicher Bestandteil ist: hier wird das Vertrauliche — das üblicherweise mit dem Raum des Individuellen und dem Zuhause gleichgesetzt wird — radikal, öffentlich, politisch.
Im Jahr 2013 widmete der Filmregisseur und Forscher Anan Barakat sein Buch The New Wave of Palestinian Cinema David Perlov; und neben diesem auch Mustafa Abu Ali, Mahmud Darwisch und Jean-Luc Godard. In einem Interview merkte er dazu an, dass diese Künstler alle politische Aussagen treffen und politisch denken, dabei aber hochkarätige Kunst schaffen.
Als Perlov anfing Diary zu drehen, war er dreiundvierzig Jahre alt, als er den Film beendete, beinahe siebzig. Sein Opus erstreckt und dehnt sich wie das von Marcel Proust oder Robert Musil durch die Zeit — Welten innerhalb von Welten, komplexe Realitäten, die sich mit ihren Umgebungen vereinigen. Perlov hat das Subjektive nicht verleugnet; letztlich ist es sein Leben, das durch den Film hindurchströmt, und es ist seine Stimme, die diesen dabei stets begleitet. Doch das ist nicht das Wesentliche. Der Titel Diary verweist auf das Alltägliche, deutet die Wiederholung an — und nicht das Drama. Wir haben es hier mit einem fortwährenden Reisetagebuch zu tun, das mehr und mehr Wirklichkeiten freisetzt; und durch ein solches Ansammeln und Anwachsen offenbart sich das Politische als neue Form, als Möglichkeit zur Überschreitung.
— Galia Bar Or