Ein Filmprogramm und eine Ausstellung der documenta 14 in den BALi-Kinos
7. Juni – 17. September, täglich
Bei seinem Tod hinterließ der israelische Filmemacher David Perlov Dutzende von Heften, die mit Epigrammen, Texten für Filme, biografischen Notizen, mit Texten verwobenen Bildern und Texten mit Bildern gefüllt waren. Als Aufträge für Filme zu Beginn der 1970er Jahre rar wurden und er sich in einer immer auswegloseren kreativen Sackgasse befand, überlegte sich Perlov eine Alternative, die ein eigener neuer ethischer und ästhetischer Ansatz war: ein Tagebuch – nicht in literarischer, sondern in filmischer Form. Auf die damals lokale Nachfrage nach einer schlichten zionistischen Botschaft reagierte Perlov mit einer längeren und im Prinzip unvollendeten Autobiografie. [...] Hier rührt die persönliche Krise eines Künstlers an einen kollektiven Bruch: Als Perlov mit der Arbeit an dem Film begann, brach im Oktober 1973 der Jom-Kippur-Krieg aus. Seine ersten Anzeichen fing er mit seiner Kamera durch ein Fenster ein – die Beklommenheit von Synagogenbesuchern, die das Gotteshaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite verlassen und aus ihren Transistorradios die Aufrufe der Reservisten zur Mobilisation hören. In der Geschichte des Films gibt es keinen Präzedenzfall für ein persönliches Tagebuch, dessen integraler Bestandteil der Krieg ist: Hier wurde das Intime, das in der Regel mit dem persönlichen und heimischen Raum identifiziert wird, radikal, öffentlich, politisch.
– Galia Bar Or
Als Nachfahre von chassidischen Einwanderern, die im 19. Jahrhundert nach Palästina auswanderten und später nach Brasilien übersiedelten, wurde David Perlov 1930 in Rio de Janeiro geboren. Mit 23 Jahren entschied er sich für eine künstlerische Laufbahn und zog nach Paris. Dort studierte er Kunst und schuf in Zusammenarbeit mit Chris Marker und Jacques Prévert erste eigene Werke. Unter dem Eindruck zionistischer Ideen emigrierte er fünf Jahre später nach Israel. Er ließ sich zunächst im Kibbuz Bror Haiyl nieder und zog dann nach Tel Aviv, wo er bis 2003 lebte und arbeitete.
David Perlov: Retrospektive zeigt das komplette filmische Tagebuch des Künstlers, Diary (1973–1983), sowie andere zentrale Fernsehprojekte und Experimentalfilme, die von Fotoarbeiten und Zeichnungen aus den Jahren 1950 bis Anfang der 2000er ergänzt werden.
Großes BALi, täglich
10:00 Uhr: Old Aunt China (1957), Frankreich, Farbe, 16 mm, 12 Min. Engl. mit dt. Untertiteln
10:15 Uhr: Memories of the Eichmann Trial (1979), Israel, schwarz-weiß, 16 mm, 60 Min. Hebr. mit engl. Untertiteln
11:15 Uhr: In Search of Ladino (1981), Israel, Farbe, 16 mm, 60 Min. Hebr./Ladino mit engl. Untertiteln
12:30 Uhr: Yavne Street (1994), Israel, Farbe, Video, 25 Min. Hebr. mit engl. Untertiteln
13 Uhr: Diary, part 1 (1973–77), Israel, schwarz-weiß, Farbe, 16 mm, 55 Min. Engl. mit dt. Untertiteln
14 Uhr: Diary, part 2 (1978–80), Israel, schwarz-weiß, Farbe, 16 mm, 55 Min. Engl. mit dt. Untertiteln
15 Uhr: Diary, part 3 (1981–82), Israel, schwarz-weiß, Farbe, 16 mm, 55 Min. Engl. mit dt. Untertiteln
16 Uhr: Diary, part 4 (1982–83), Israel, schwarz-weiß, Farbe, 16 mm, 55 Min. Engl. mit dt. Untertiteln
17 Uhr: Diary, part 5 (1983), Israel, schwarz-weiß, Farbe, 16 mm, 55 Min. Engl. mit dt. Untertiteln
18 Uhr: Diary, part 6 (1983), Israel, schwarz-weiß, Farbe, 16 mm, 55 Min. Engl. mit dt. Untertiteln
19 Uhr: My Stills, 1952/2002 (2003), Israel, Farbe, Video, 58 Min. Hebr./Engl. mit engl. Untertiteln
Am 20. und 21. Juli findet das David-Perlov-Programm nicht statt.
Sondervorstellungen mit Yael Perlov am 15. Juni um 20:30 Uhr und mit Mira Perlov und Galia Bar Or am 16. Juni um 20:30 Uhr.