Montag, 27. Februar 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
Loubia Hamra (Bloody Beans), 2013, Algerien/Frankreich, 88 Min.
Regie: Narimane Mari (Künstlerin der documenta 14)
Loubia Hamra ist Narimane Maris erster Spielfilm, eine traumartige Einstellung auf die Gewaltspirale in Algeriens jüngster Vergangenheit. Seine Kraft und Schönheit liegen darin begründet, dass er nicht geradeheraus ein geschichtliches Narrativ in Anschlag bringt, sondern Vergangenheit als Spiel wiederholt.
Unausgesprochenes Sujet des Films ist Algerien nach 1962; nach dem schmerzhaften Krieg gegen Frankreich hatte das Land gerade seine Unabhängigkeit erlangt. Da dieser bewaffnete Konflikt auch das Ende des französischen Kolonialreiches markiert, blieb er lange Zeit namenlos und fand keinen Eingang in die offizielle Geschichtsschreibung. Das Schicksal des Landes blieb jedoch auf komplizierte Weise mit ihm verstrickt, und die Gespenster des Krieges hörten nicht auf, beide Seiten heimzusuchen. Bald schon überquerten zahlreiche Algerier das Meer, um in den französischen Fabriken Arbeit zu suchen. Später spülte die Krisenwelle viele von ihnen wieder zurück an die trostlosen Ufer einer ruinierten Gesellschaft, die sich immer noch mit den Geistern ihrer Helden herumschlug, während Frankreich bereits wieder begann, in der algerischen Wirtschaft und Politik die Fäden zu ziehen. Anfang der 1990er Jahre dann brach das algerische „schwarze Jahrzehnt“ an, eine andere Bezeichnung für die Zeit des Bürgerkrieges, der die Korruption der herrschenden Mächte zutage treten ließ und der Islamischen Heilsfront zu ihrem Aufstieg verhalf.
In Loubia Hamra verfolgt Mari die Echos alles dessen an den Körpern der heutigen Jugend: sinnliche Körper voller Lebenskraft und dennoch Körper des Kampfes. Ist in den ersten Bildern noch die Lust am Schwimmen im Mittelmeer vorherrschend, so erhebt doch schon bald die Geschichte ihr Haupt, kehrt zurück gleich einer fließenden Erinnerung, die sich den Muskeln der Kindheit einprägt.
Loubia Hamra konfrontiert Tragödie mit Leichtigkeit und Spiel. Ein Kriegsspiel bietet neue Chancen, das freizusetzen, was in der Vergangenheit in Schach gehalten wurde: Rede und Poesie, Farce und das Theater eines Lebens, das sich weigert, im Käfig eines tragischen Schicksals eingeschlossen zu bleiben.
—Olivier Marboeuf, Autor, Kritiker und Kurator