Montag, 15. Mai 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
Ernste Spiele I–IV, 2009–2010, Deutschland, 44 Min.
Regie: Harun Farocki
Bilder des Krieges überziehen unsere Bildschirme, sie werden in Echtzeit übertragen und sind unmöglich zu ignorieren. Harun Farockis Ernste Spiele erinnert uns daran, dass dieses Spektakel nur ein Aspekt der Mediatisierung der Schlacht ist: Das Bild bildet nicht bloß den Krieg ab, es ist zugleich selbst ein Instrument der Kriegsführung.
Ernste Spiele, der hauptsächlich in Twentynine Palms, einem militärischen Übungsgelände in der kalifornischen Wüste, gedreht wurde, untersucht, wie die verschiedenen Formen der Simulation – im Besonderen die computergenerierten Umwelten von Videospielen – beim Training der US-Soldaten und bei der Behandlung ihrer posttraumatischen Belastungsstörungen eingesetzt werden.
Die vier Episoden des Films nehmen größtenteils eine beobachtende Haltung ein. Farockis Kamera widmet sich geduldig den Details der schematischen Avatare und den abgeflachten Landschaften der Software und fängt die Erfahrungen derjenigen ein, die sie verwenden. Virtualität und Aktualität kollidieren, wenn die Schnittstellen und Prozesse des Gaming in Situationen angewendet werden, in denen echte Leben auf dem Spiel stehen.
Während der ersten drei Episoden verzichtet Farocki auf jeden offenkundigen Kommentar zu dem, was wir zu sehen bekommen; zuweilen wird sogar die Unterscheidung dessen, was wirklich und was simuliert ist, strategisch unterlaufen. Erst in der vierten Episode mit dem Titel „A Sun with No Shadow“ erscheinen Zwischentitel auf der Leinwand, die Ernste Spiele einer Konklusion entgegenführen.
Die imaginäre Sonne des Ausbildungsprogramms lässt die Gegenstände imaginäre Schatten werfen, wohingegen es im Therapieprogramm keine Schatten gibt. Und doch verrät uns der letzte Zwischentitel: „Both use asymmetrical images“. Aber was ist ein asymmetrisches Bild? Für Ernste Spiele, eine Arbeit, bei der die Unordnung des Krieges den virtuellen Räumen Platz gemacht hat, die von den Fantasien der Kontrolle und Beherrschung erfüllt sind, bleibt dies die entscheidende Frage.
—Erika Balsom, Filmwissenschaftlerin und Dozentin