Montag, 29. Mai 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
Ának Araw, 2013, Philippinen/USA, 70 Min.
Regie: Gym Lumbera
Gym Lumberas Ának Araw beginnt mit Worten, die auf der Leinwand zu lesen sind: eine Prozession einfacher englischer Substantive begleitet von ihren Piktogrammen. Darauf folgen dann ihre Darstellungen als Live-Aktionen, die mit Untertiteln in Tagalog versehen sind. Worte, aber kein Dialog.
Obwohl dieser seltsame Einfall nie zur Gänze aufgeklärt wird, folgt der Film einem philippinischen Albino, der glaubt, er sei amerikanischer Abstammung, und sich unter Zuhilfenahme eines Wörterbuchs selbst die englische Sprache beibringt. Wie anderen philippinischen Filmemachern seiner Generation geht es auch Lumbera in erster Linie um die postkoloniale Imagination. Der Film, der in den 1950er Jahren spielt, montiert bruchlos Filmfootage mit Archivmaterial, das unterschiedliche Belichtungsqualitäten und Kratzer aufweist. Ein solcher Effekt macht den psychologischen Zustand einer sich überlagernden Bifurkation deutlich: das Hinterland und die Stadt; Mensch und Tier; Kolonisierender und Kolonisierter; Dokumentation und Fiktion; Leben und Tod.
Als erstaunlicher Erstlingsfilm, der ein ganzes Genre definiert hat, ist Ának Araw an sich schon ein Avantgardewerk kinematografischer Übersetzung, der Fragmente der Geschichte auf seine eigene Weise einbezieht. Dabei werden die frühen ethnografischen Filme eines Robert Flaherty heraufbeschworen, das US-amerikanische Experimentalkino eines Hollis Frampton, die philippinische (Neu-)Schaffung einer filmischen Vergangenheit, die es nie gab, durch Filmemacher wie Raya Martin und der europäische Kunstfilm eines Béla Tarr. Und das sind nur die ersten zehn Minuten – die Dschungel-Boogie-Brass-Band und Nat King Coles legendäre Interpretation des philippinischen Klassikers Dahil Sa’yo folgen noch. Durch beständige Umbenennung und Verwandlung bewegt sich Lumbera flüssig in den Zwischenräumen eines aufgeschobenen Porträts von Menschen, die außerstande sind, sich durch Sprache zu definieren. Die gefühlvolle Magie von Ának Araw lässt sich durch das Nebeneinander von zwei weiteren benachbarten Wörtern des Tagalog auf der Leinwand zusammenfassen: pagaginip – „Traum“ – und panahón – „Zeit“.
—Mark Peranson, Autor, Kurator und Regisseur