Montag, 25. September 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
Tony Conrad: Completely in the Present, 2016, USA, 97 Min.
Director: Tyler Hubby
Tony Conrad: Completely in the Present von Tyler Hubby ist ein dynamischer Dokumentarfilm über einen bahnbrechenden Künstler, der sich nicht leicht beschreiben lässt. Von den frühen 1960er Jahren an bis zu seinem Tod im Jahr 2016 war Tony Conrad eine Underground-Ikone und wurde als experimenteller Musiker und Filmemacher verehrt. Die bemerkenswerten Arbeiten, die der Individualist Conrad in zahlreichen Medien über einen Zeitraum von sechs Jahrzehnten geschaffen hat, könnten ihrer Art und Form nach kaum unterschiedlicher sein. In seiner beständigen Unberechenbarkeit war Conrad einer der bedeutendsten ästhetischen Anstifter seiner Generation.
Zum ersten Mal erregte Tony Conrad in den frühen 1960er Jahren Aufsehen mit seiner Avantgardemusik, die er neben La Monte Young, John Cale und anderen beim Theatre of Eternal Music (später auch bekannt unter der Bezeichnung The Dream Syndicate) machte. Ihre wegbereitenden Performances wurden in der Folgezeit grundlegend für Minimal Music und Noise. Auf einem anderen künstlerischen Gebiet, dem Film, gilt Conrads stroboskopisches, Anfälle auslösendes Kinodebut The Flicker (1966) als Schlüsselwerk der Bewegung des Strukturellen Films. In den 1970er und 1980er Jahren dehnte der Künstler sein Schaffen mit einem umfangreichen Werkkomplex humorvoller Performance- und eigenwilliger Videoarbeiten, die ebenso gewitzt wie albern waren, weiter aus. Bereits ein angesehener Hochschulprofessor und Medienaktivist, gelangte Conrad in den 1990er und 2000er Jahren als bewunderter musikalischer Einzelgänger und profilierter Galeriekünstler erneut zu Ruhm.
Tyler Hubbys großartig gestalteter Film, der über eine Zeitspanne von mehr als zweiundzwanzig Jahren gedreht wurde und eine Vielzahl von Auszügen aus Conrads Werk beinhaltet, schafft es auf wunderbare Weise, Conrads verschmitzte Persönlichkeit als eine Art verrückter Professor mit riesigem Intellekt einzufangen. Der Film ist das einnehmende Porträt eines immer wieder singulären Nonkonformisten, den wir, seit Conrad von uns gegangen ist, schmerzlich vermissen.
—Andrew Lampert