Montag, 9. Januar 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
La Mort de Louis XIV (The Death of Louis XIV), 2016, Frankreich/Portugal/Spanien, 115 Min.
Regie: Albert Serra
Albert Serras The Death of Louis XIV ist eine erlesene Meditation über den Tod, die Würde und den Voyeurismus, die sich wie ein barocker Gobelin entfaltet. Im Kino der Gegenwart ist der visionäre katalanische Regisseur und Künstler Albert Serra der unbestrittene Meister des Historizismus. Mit bilderstürmerischer Leidenschaft hat er bereits zuvor kanonische Texte, von Werken Cervantes bis hin zur Bibel, radikal verwandelt und auf unvergessliche Weise das Zusammentreffen von Casanova und Dracula in Szene gesetzt. The Death of Louis XIV ist bislang Serras Meisterwerk – ein bedeutsamer Film mit Jean-Pierre Léaud, der Legende der Nouvelle Vague, in der Rolle des sterbenden Sonnenkönigs.
Mit seinen karmesinroten Brokaten und dem Kristallgeschirr, in dem sich schimmernd das goldbraune Licht bricht, erweist sich The Death of Louis XIV als monumental und schwelgerisch. Der Film ist ein berückendes, von Kerzenlicht erhelltes Historiendrama, das im Schlafzimmer Ludwigs, wo der König die Phasen seines unaufhaltsam fortschreitenden Wundbrands durchleidet, im August 1715 im Schloss von Versailles seinen Lauf nimmt. Vor dem bangen Publikum der Leibdiener und Ärzte zelebriert sich der Tod des Monarchen gleich einer Theateraufführung, wobei jede von Louis’ Regungen von den Zuschauern auf Anzeichen einer unwahrscheinlichen Gesundung hin examiniert wird.
The Death of Louis XIV wurde mit drei verschiedenen Kameras in Breitbildeinstellungen aufgenommen, die die Form des Bettes des Herrschers nachbilden. Im Interesse historischer Genauigkeit wurde auf literarische Bezüge zurückgegriffen – zu denen auch die Memoiren des Louis de Rouvroy duc de Saint-Simon gehören – sowie auf künstlerische Darstellungen des Monarchen, deren Schöpfer von dem persönlichen Porträtmaler des Königs bis hin zu Roberto Rosselini reichen. Léaud ist hier in einer der besten Rollen seiner Laufbahn zu sehen, und sein langes Sterben auf der Leinwand gerät durch die Reminiszenzen an seine erste, fantastisch gespielte Rolle als junger Antoine Doinel in François Truffauts Sie küssten und sie schlugen ihn (1959) umso anrührender. All die mächtigen Perücken, das Pathos und die gegensätzlichen Allüren von Medizinern und Magiern versehen Serras paradoxes Porträt des Leidens mit einer üppigen Metaphorik, die dem Aufruhr der Gegenwart entspricht und nicht zuletzt offenlegt, dass der Tod im Grunde die größte Performance von allen ist.
—Andréa Picard, Filmkuratorin und Autorin