Montag, 23. Januar 2017, 24.00 Uhr
Voilà l'enchaînement, 2014, Frankreich, 30 Min.
Regie: Claire Denis
Wie zwei Menschen auseinandergehen, kann ebenso fesseln wie sie zu beobachten, wenn sie einander begegnen. In Claire Denis’ Film Voilà l’enchaînement sind die Risse im Beziehungsverhältnis zwischen einem dunkelhäutigen Mann (Alex Descas) und einer weißen Frau (Norah Krief) von der ersten Szene an offensichtlich. Sie, die sich nach mehr Nähe sehnt, fragt ihn, während sie seine Schulter liebkost, ob er sich ihren Namen auf den Körper tätowieren lassen würde. Sanft verneint er: „Für dich bedeutet das Ewigkeit, für mich wäre es ein Brandzeichen.“ Die Friktion, die schon in diesem frühen Austausch zutage tritt – noch ist sie keine starke und könnte mit einer Umarmung aus der Welt geschafft werden, wenngleich sie bereits auf eine tiefe, feindselige Spaltung vorausweist –: setzt sie hier in Bewegung, was auf sie folgen wird?
Claire Denis, die französisch gebürtig und im kolonialen Afrika aufgewachsen ist, widmet sich häufig Themen wie ethnischer Herkunft und Postkolonialismus in Frankreich und Westafrika. In diesem Fall setzt sie ein Paar beträchtlicher Spannung aus, indem sie es in der räumlichen Enge des montageartigen Filmsettings gefangen hält, der vor einer winzigen Tonbühne als Hintergrund gedreht wurde. Auch die Kameraführung von Agnès Godard ist auf ähnliche Weise eingeschränkt. Manchmal rückt die Kamera dicht an die Gesichter der Schauspieler heran, sucht nach dem kleinsten Ausdruck von Frustration oder Schmerz in den Mienen oder bewegt sich über andere Körperteile, um nahezubringen, was ungesagt bleibt. So sehen wir etwa die Hand des Mannes, wie sie hart nach dem Knie der Frau fasst, als sie ihn „Zuchthengst“ nennt, ein Wort, das er, wie er kurz darauf sagt, so nur im Zusammenhang mit der Sklaverei kennt. Sie senkt den Blick, und das spielerische Lächeln weicht aus ihrem Gesicht.
Der Film bezieht auch weitere Personen ein, ohne sie jedoch zu zeigen – die Kinder des Paares, Polizeibeamte, einen Richter. Unsere Aufmerksamkeit konzentriert sich aber ganz auf das, was zwischen diesem Paar vorgeht. Hinter ihm nehmen wir einen abstrakt-grauen Hintergrund wahr, der weder scharf noch unscharf ist. Dieser diffuse, restringierte Raum atmet Intimität und Verbitterung zugleich. So ist er Bühne und Leinwand für eine aufgewühlte und tief gestörte Beziehung.
—Genevieve Yue, Assistenzprofessorin für Kultur und Medien an der New School in New York City