Nusja Jonë
Die Goranen des Kosovo leben in Lubinje, einem abgelegenen Dorf am Fuße des Gebirgszugs Šar Planina. Traditionsgemäß kleiden sie am Hochzeitstag die Braut ein und verzieren den gesamten Körper in hellen Farben. Das über tausend Jahre alte Ritual soll den bösen Blick abwenden und Glück und Gesundheit bringen. Die Kenntnis dieser Praxis ist jedoch beinahe ausgestorben.
Als der Künstler Yll Çitaku und die Künstlerin Nita Deda in einer alten Ausgabe des Magazins National Geographic auf ein Gesicht einer goranischen Braut stießen, behielten sie dies im Hinterkopf. Einige Jahre später besuchten sie die Region um Lubinje – um ausgerechnet eine Hochzeit zu filmen – und machten sich auf die Suche nach Aziza Shefiragiç, der Frau, die auf dem National-Geographic-Foto die Verzierungen in das Gesicht der Braut gemalt hatte. Shefiragiç ist eine der letzten Frauen, die das Ritual beherrschen, welches einst dazu diente, alle Bräute des Dorfes gleich schön zu machen.
Shefiragiç war einverstanden, das Ritual an Nita Deda zu vollziehen. Das Bemalen sowie das Einkleiden mit handgefertigten Kleidungsstücken und dem entsprechenden Beiwerk erstreckte sich über einen ganzen Tag; Frauen aus dem Dorf kamen vorbei, um die Prozedur zu beobachten. „Die Erfahrung ändert die eigene Art zu sehen“, sagt Nita. „Es war ein Augenblick der Göttlichkeit, als werde einem ein ganzer Kosmos auf das Gesicht gemalt.“ Am Ende des Tages fuhr Nita in ihrer Aufmachung als Braut zurück in die Stadt Prizren.
Ylls und Nitas Film möchte diesen speziellen Akt kulturellen Erbes bewahren und hat in der Folge auf das Ritual aufmerksam gemacht. So bemerkt Nita: „Wie das Medium Film projiziert dieses Gesicht das Bild eines anderen Seinszustands und fungiert als ein Dokument“; der gemeinsamen Zukunft öffnet es ein mögliches Tor zu unseren heiligen Vergangenheiten.
– Laura Preston
Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Kotte