(Zurückspulen 1)
(In dem über die Abwesenden, die Biografien nachgedacht, über das erste Treffen von Durito mit dem Katzen-Hund erzählt und über andere Angelegenheiten gesprochen wird, die nicht oder vielleicht doch wichtig sind, je nachdem, wie es das impertinente Post Skriptum befiehlt)
November−Dezember 2013.
Seit längerer Zeit verfechte ich die Meinung, dass die meisten Biografien nichts anderes sind als belegte und manchmal, nicht immer, gut geschriebene Lügen. Der durchschnittliche Biograf hat eine vorgefasste Meinung, und sein Toleranzradius ist sehr gering oder gar nicht vorhanden. Mit dieser Überzeugung beginnt er im Rätsel eines Lebens zu wühlen, eines fremden Lebens (daher sein Interesse, die Biografie zu schreiben), und er sucht die falschen Stücke zusammen, die es ihm ermöglichen, seine eigene Überzeugung zu beweisen und nicht das betreffende Leben.
Tatsache ist, dass wir allenfalls mit Sicherheit Geburtsdatum und -ort, und in einzelnen Fällen Datum und Ort des Hinscheidens erfahren. Abgesehen davon müssten die meisten Biografien unter der Rubrik „fiktive Geschichte“ oder „Science-Fiction“ geführt werden.
Was bleibt dann also von einem Leben? Viel oder wenig, sagen wir uns.
Viel oder wenig, es hängt vom Andenken ab.
Oder, besser gesagt, von den Fragmenten, die dieses Leben im kollektiven Gedächtnis hinterlassen hat.
Und wenn dieser Aspekt für Biografen und Redakteure nicht relevant ist, ist er auch für die Allgemeinheit unwichtig. Es ist so, dass das, was wirklich wichtig ist, nicht in den Massenmedien erscheint und nicht durch Meinungsumfragen messbar ist.
Daher haben wir von einer Person, die nicht mehr unter uns ist, nur willkürlich ausgewählte Stücke des komplexen Puzzles, zusammengesetzt aus Fetzen, Stückwerk und Tendenzen, die man als „Leben“ bezeichnet.
So denn, erlauben Sie mir, dass ich mit diesem konfusen Anfang einige dieser fragmentarischen Stücke aufnehme, um zu umarmen und uns zu umarmen, für den Schritt, der uns heute fehlt und den wir brauchen …
*
Ein Konzert in der mexikanischen Stille. Don Juan Chávez Alonso, Purépecha, Zapatist und Mexikaner, macht eine Geste, als ob er eine lästige Fliege verscheuchen müsste. Das ist seine Antwort auf meine Bitte um Entschuldigung für einen meiner ungeschickten Ausbrüche. Wir befinden uns im Land der Cucapá, in der Mitte eines sandigen Terrains. In diesen geografischen Koordinaten und als der Kalender die Sexta 2006 im Nordwesten von Mexiko anzeigt, nimmt Don Juan in dem großen Zelt, das ihm als Herberge dient, die Gitarre in die Hand und fragt, ob wir uns etwas anhören wollen, was er komponiert hat. Er stimmt und beginnt ein Konzert, welches ohne jegliche Worte die zapatistische Erhebung nacherzählt, beginnend mit dem 1. Januar 1994 bis zur Anwesenheit der Comandanta Ramona bei der Gründung des Nationalen Indigenen Kongresses.
Und dann ein Schweigen, so als ob es ein weiterer Ton wäre.
Ein Schweigen, in dem unsere Toten laut geschwiegen haben.
*
Auch im Nordosten Mexikos bemalt der blutrünstige Wahnsinn der Macht weiterhin ungestraft den Kalender der Unteren. 5. Juni 2009. Die Habgier und Willkür der Regierung haben einen Kindergarten in Brand gesteckt. Die Todesopfer, 49 Mädchen und Buben, sind die Kollateralschäden bei der Zerstörung von kompromittierenden Unterlagen. Dem Wahnsinn, dass die Eltern ihre Kinder begraben müssen, folgt jener der schwachen und korrupten Rechtsprechung: Die Verantwortlichen werden nicht verhaftet, sondern erhalten Posten im Kabinett des Verbrechers, der versucht, unter dem Blau der Acción Nacional das Blutbad zu verbergen, in das er das gesamte Land gestürzt hat.
Wo die Biografen ihre Aufzeichnungen abschließen, „denn einige Jahre Leben rentieren sich nicht“, öffnet die Geschichte von unten ihr Heft mit anderen Unsinnigkeiten: Mit ihrem ungerechten Ableben haben diese Mädchen und Buben andere Männer und Frauen geboren. Ihre Väter und Mütter erheben seit damals ihre Stimme mit der Forderung nach einer größeren Gerechtigkeit.
*
„Das Problem mit dem Leben besteht darin, dass es dich am Ende umbringt“, hat Durito gesagt. Seine fantastischen Rittergeschichten haben La Chapis immer gut gefallen. Obwohl sie mit dieser frechen Mischung aus Einfalt und Ehrlichkeit, die alle diejenigen, die sie nicht kannten, verblüffte, gefragt hätte: „Und wieso ist das ein Problem?“ Don Durito de La Lacandona, von Herkunft Käfer und von Beruf fahrender Ritter, hätte es unterlassen, mit ihr zu polemisieren, da es angeblich eine Regel unter Rittern gibt, die besagt, dass man einer Dame nicht widersprechen soll (vor allem dann, wenn die fragliche Dame gute Beziehungen „sehr weit oben“ hat, fügte Durito hinzu, der wusste, dass La Chapis eine Nonne, Ordensfrau, Schwester war, oder wie Sie die Frauen nennen wollen, die aus dem Glauben ihr Leben und ihren Beruf machen).
La Chapis kannte uns nicht. Ich will damit sagen, nicht wie jemand, der uns von außen beobachtet, über uns schreibt, spricht … oder schlecht spricht (Sie wissen ja, wie die Mode sich wandelt). La Chapis war mit uns. Und sie war das noch, lange bevor sich ein frecher Käfer in den Bergen des Südostens von Mexiko einfand, um sich als Ritter vorzustellen.
Und vielleicht, weil sie in uns war, war es so, dass sich La Chapis nicht so sehr von Leben und Tod beunruhigen ließ. Mit dieser Haltung, die so sehr die unsere ist, die der Neozapatistas, wo sich alles umkehrt und wo nicht der Tod, sondern das Leben uns beunruhigt und beschäftigt.
Aber La Chapis war nicht nur in uns. Es ist klar, dass wir nur ein Teil ihres Weges waren. Und wenn ich Ihnen jetzt etwas über sie erzähle, dann nicht deshalb, um Details für ihre Biografie zu liefern, sondern um Ihnen zu sagen, was wir hier fühlen. Denn die Geschichte dieser Gläubigen – ihre Geschichte mit uns – ist eine von denen, die die fanatischen Atheisten zum Zweifeln bringen kann.
„Religion ist Opium für das Volk?“ Ich weiß es nicht. Was ich wohl weiß ist, dass die brillanteste Erklärung, die ich je über Zerstörung und Entvölkerung, die die neoliberale Globalisierung in einem Territorium verursacht, gehört habe, nicht von einem marxistisch-leninistisch-atheistisch-und-einige-weitere-istischen Theoretiker kam, sondern … von einem christlichen Pfarrer, katholisch, apostolisch und römisch, Anhänger der Sexta und vom hohen Klerus verbannt („wegen zu viel Denkens“, sagte er zu mir, fast so, als ob er dafür um Entschuldigung bitten würde) in eine der geografischen Wüsten des mexikanischen Altiplano.
*
Ich glaube (vielleicht irre ich mich, wäre nicht das erste Mal und sicher auch nicht das letzte Mal), dass viele Menschen, wenn nicht gar alle, die sich dem, was wir als Neozapatismo bezeichnen, näherten, es taten, weil sie Antworten auf Fragen suchten, Fragen, die in der persönlichen Geschichte jedes Einzelnen, je nach seinem Kalender und seiner Geografie, auftauchten. Und es dauerte gerade so lange wie nötig, um die Antwort zu finden. Wenn sie merkten, dass die Antwort das problematischste einsilbige Wort der Geschichte war, drehten sie sich um und gingen weg. Es spielt keine Rolle, wie oft sie sagen und wie oft man sagt, dass sie weiterhin hier sind: Sie sind fortgegangen. Einige schneller, andere weniger schnell. Und die meisten von ihnen schauen uns nicht mehr an, oder sie machen es mit derselben Distanz und intellektuellen Geringschätzung wie jene, die auf den Kalendern vor dem Morgengrauen des 1. Januar 1994 existierte.
Ich glaube, ich habe es schon einmal gesagt, in einer der vorherigen Schriften, ich bin aber nicht sicher. Doch wie dem auch sei, ich sage es hier, oder wiederhole es jetzt, dieses gefährliche einsilbige Wort heißt „du“. Genau so, klein geschrieben, denn diese Antwort war und ist eine Aufforderung an jeden Einzelnen. Und jeder Einzelne nimmt es mit dem entsprechenden Schrecken an.
Wenn die Toten laut Schweigen
Diese Frage nach Leben und Tod haben wir, wie mich dünkt, gründlich mißverstanden. Denn das, was sie hier auf Erden meinen Schatten nennen, scheint mir mein wahres Wesen zu sein. Verhalten wir uns doch, meine ich, beim Betrachten geistiger Dinge zu sehr wie die Austern, die sich die Sonne durch das Wasser anschauen und dieses dichte Wasser für die feinste Luft halten. Mein Körper ist, scheint mir, nur der Bodensatz meines besseren Seins. Tatsächlich kann mein Leib nehmen, wer will, nehmen, sage ich, er ist nicht mein.
– Herman Melville, Moby Dick
Denn der Kampf ist ein kollektiver, aber die Entscheidung zu kämpfen ist individuell, persönlich, intim, ebenso wie das Weiterschreiten oder das Aufgeben.
Sage ich hiermit, dass die wenigen Menschen, die geblieben sind (und ich beziehe mich nicht auf die Geografie, sondern auf das Herz), nicht diese Antwort gefunden haben? Nein. Was ich sagen will, ist, dass La Chapis nicht kam und diese Antwort auf ihre persönliche Frage suchte. Sie kannte die Antwort bereits und machte aus diesem „du“ ihren Weg und ihr Ziel: ihr Gläubig-Sein und ihr Konsequent-Sein.
Viele andere, Frauen und Männer wie sie, aber eben andere, hatten sich bereits die Antwort gegeben, aber in anderen Kalendern und anderen Geografien. Atheisten und Gläubige. Männer, Frauen, andere, aller Kalender. Es sind diese Frauen, Männer, andere, die sich immer, lebend oder tot, vor die Macht stellen, nicht wie Opfer, sondern um sie herauszufordern mit der vielgesichtigen Fahne der Linken von Unten. Sie sind unsere Compañeras, Compañeros und Compañeroas … obwohl in den meisten Fällen weder sie noch wir davon wissen … noch nicht.
Denn die Rebellion, Freunde und Feinde, ist kein ausschließliches Eigentum der Neozapatistas. Sondern der Menschheit. Und das ist etwas, was wir feiern müssen. Überall, jeden Tag, zu jeder Stunde. Denn die Rebellion ist auch eine Feier.
*
Sie sind weder schwach noch wenige, die Brücken, die sich aus allen Winkeln des Planeten, der Erde bis zu diesen Böden und Himmeln geschlagen haben. Manchmal mit Blicken, manchmal mit Worten, immer mit unserem Kampf, wir haben sie überquert, um diesen anderen zu umarmen, der im Kampf widersteht.
Vielleicht handelt es sich darum und um nichts anderes, das „Compañero-Sein“: Brücken zu überqueren. Genau wie diese sich in Worte verwandelte Umarmung, die wir an die Schwestern von La Chapis schicken, welche sie, so wie wir, vermissen und, wie wir, brauchen.
*
„Die Straffreiheit, mein lieber Matías, ist etwas, das nur die Justiz gewähren kann, es ist die Justiz, welche die Ungerechtigkeit ausübt.“
– Tomás Segovia, „Cartas Cabales“
Ich habe schon früher gesagt, dass meiner bescheidenen Meinung nach jeder oder jede der Held oder die Heldin seiner eigenen individuellen Geschichte ist. Und in der beruhigenden Selbstzufriedenheit des Erzählens, „das ist meine persönliche Geschichte“, werden Fakten und Unterlassungen umgearbeitet, die unglaublichsten Fantasien werden erfunden, und das Erzählen von Anekdoten erinnert stark an die Abrechnung des Geizhalses, der den Nächsten beraubt.
Das uralte Streben, den Tod zu überwinden, findet in den Biografien den Ersatz für das Elixier der ewigen Jugend. Ja, natürlich kann man diesen Ersatz auch in den Nachkommen finden. Aber die Biografie ist irgendwie „perfekter“. Es handelt sich nicht um irgendjemanden, der einem ähnelt, es ist das in der Zeit verlängerte „ich“, dank des „Zaubers“ der Biografie.
Der Biograf von oben greift zu Zeitdokumenten, vielleicht sogar zu Aussagen von Familienmitgliedern, Freunden und Compañeras des Lebens, dessen Tod er sich aneignet. Die „Dokumente“ haben die gleiche Treffsicherheit wie Wettervorhersagen, und die Zeugen bewegen sich auf einem schmaleren Grat, der sich zwischen „ich glaube, dass …“ und „ich weiß, dass …“ befindet. Und dann misst sich der „Wahrheitsgehalt“ der Biografie an der Anzahl der Fußnoten. Für die Biografien gilt dasselbe wie für die Spesenabrechnungen in der Regierungsverwaltung: je umfangreicher, desto wahrheitsgemäßer.
Heutzutage, mithilfe des Internets, Twitter, Facebook und Ähnlichem, werden die biografischen Mythen ergänzt und abgerundet, und voilà, die Geschichte eines Lebens wird rekonstruiert, oder Fragmente aus diesem Leben, die wenig oder gar nichts mit der wirklichen Geschichte zu tun haben. Aber das ist nicht wichtig, denn die Biografie ist veröffentlicht, gedruckt, wird verbreitet, wird gelesen, zitiert, rezitiert … so wie die Lüge.
Schauen Sie nur in den modernen Informationsquellen für zukünftige Biografien nach, ich meine damit Wikipedia und die Blogs, Facebook und die entsprechenden „Profile“. Und dann vergleichen Sie das alles mit der Wirklichkeit.
Bekommen Sie nicht eine Gänsehaut, wenn Sie merken, dass vielleicht in der Zukunft …
Carlos Salinas de Gortari, der „visionärer Politiker“ sein wird, „der verstand, dass der Verkauf der Nation nicht nur ein Familiengeschäft ist (unter Familie versteht sich selbstverständlich nicht nur Blutsverwandtschaft, sondern auch die politische Familie), sondern ein Beweis des modernen Patriotismus“ und nicht der Anführer einer Verräterbande (na, na, verstellen Sie sich nicht, dort in der „modernen und verantwortungsbewussten“ Opposition gibt es einige, die die Reform des Artikels 27 der Konstitution unterstützt haben, der Scheidepunkt, an dem der Untergang des mexikanischen Nationalstaates begann);
Ernesto Zedillo Ponce de León, der nicht der „Staatsmann“ sein wird, der eine Nation von einer Krise in eine noch größere führte (abgesehen davon, dass er zusammen mit Emilio Chuayffet und Mario Renán Castillo das Mastermind hinter dem Massaker von Acteal war), sondern dass er „die Zügel des Landes“ mit einem außergewöhnlichen Sinn für Humor in die Hand nahm, um zum Schluss das zu sein, was er immer war: ein zweitklassiger Angestellter in einem multinationalen Unternehmen;
Vicente Fox wird ein Beispiel dafür sein, dass die Stellen des Präsidenten einer Republik und die einer Filiale eines Erfrischungsgetränkeherstellers austauschbar sind … und dass beide Stellen von Unfähigen besetzt werden können;
Felipe Calderón Hinojosa wird ein „mutiger Präsident“ sein (damit andere an seiner Stelle sterben können) und nicht ein Psychopath, der eine Waffe (die Präsidentschaft) für seine Kriegsspiele raubte … und der das wurde, was er immer war: ein zweitklassiger Angestellter in einem multinationalen Unternehmen;
Enrique Peña Nieto wird ein gebildeter und intelligenter Präsident sein („gut, er ist dumm und unwissend, aber geschickt“; das ist das neue Profil, welches der Chor der politischen Analysten entwirft) und nicht ein funktionaler Analphabet (da kann man halt nix machen, wie der Volksmund sagt: „was die Natur nicht schenkt, kann auch die Monex nicht kaufen“) …?
Ach, die Biografien. Nicht selten handelt es sich um Autobiografien, selbst wenn es die Nachkommen sind (oder die Spießgesellen), die für sie werben und so ihren Stammbaum schmücken.
Die Verbrecher der mexikanischen Politikerklasse, die dieses Land schlecht regierten, werden weiterhin für die, die unter ihren Übergriffen gelitten haben, unbestrafte Verbrecher bleiben. Es spielt keine Rolle, wie viele Seiten in den entsprechenden Medien bezahlt werden, noch wie viel für Plakatierungen auf den Straßen ausgegeben wird, in der geschriebenen Presse, im Radio, im Fernsehen. Von den Díaz (Porfirio und Gustavo) bis zu den Calderóns und Peñas, von den Castellanos und Sabines bis zu den Albores und Velascos, was sie verbindet, ist nur die Bloßstellung der lächerlichen Frivolität der „Juniors“ (über die sozialen Medien, denn in den bezahlten Medien sind sie weiterhin „verantwortungsvolle und erwachsene Personen“).
Aber die Welt bewegt sich, und mit dem ständigen Auf und Ab der hohen Politiker kann man in kürzester Zeit von der Titelseite der Hola zum „GEFÄHRLICHER VERBRECHER GESUCHT“ wechseln, von der Dezember-Orgie des Freihandelsabkommens zum Kater nach dem zapatistischen Aufstand; vom „Mann des Jahres“ zum „Hungerstreik“, der mit Trinkwasser einer „schicken“ Marke unternommen wird (da kann man nichts machen, mein Lieber, selbst beim Protestieren gibt es soziale Klassen); vom Applaus für schlechte Witze zum vermeintlichen Kindsmörder; von Nepotismus und mit Ideen garnierter Korruption zur Untersuchung wegen Verbindungen zum Drogenhandel; von den Militäruniformen, Größe XL, zum furchtsamen und mit Blut befleckten Exil; vom Gelage des Dezembers der Ergebung zum …
*
Sage ich mit all dem und allem, was noch kommt, dass man keine Biografien lesen soll? Nein, aber was das alte Rad der Geschichte bewegt, ist die Kollektive, nicht die Individuen … ob männlich oder weiblich. Die Geschichtsschreibung lebt von Persönlichkeiten, die Geschichte lernt vom Volk.
Sage ich, dass man Geschichte nicht schreiben/studieren soll? Nein, aber was ich wohl sagen möchte ist, dass es besser ist, sie in der einzigen Art zu machen, wie sie zu machen ist, das heißt zusammen mit anderen und organisiert.
Denn die Rebellion, Freunde und Feinde, die ist schön, wenn sie persönlich ist. Aber wenn sie gemeinsam und organisiert geschieht, dann ist sie schrecklich und wunderbar. Die erste ist Material für Biografien, die zweite ist die, die Geschichte macht.
*
Und nicht mit Worten umarmen wir unsere Compañeros y Compañeras, Zapatisten, Atheisten und Gläubige,
die, die in der Nacht den Rucksack und die Geschichte schulterten,
die, die mit ihren Händen den Blitz und den Donner ergriffen,
die, die die Stiefel ohne Zukunft anzogen,
die, die ihr Gesicht und ihren Namen verdeckten,
die, die ohne eine Belohnung zu erwarten, in der langen Nacht starben,
damit andere, alle Männer und Frauen, eines Morgens, eines Morgens, der noch kommen wird,
den Tag so sehen können, wie man es tun sollte, das heißt, von vorn, aufrecht und mit dem Blick und dem Herzen erhoben.
Für sie weder Biografien noch Museen.
Für sie unser rebellisches Andenken.
Für sie unser Schrei:
Freiheit! Freiheit! FREIHEIT!
Vale. Salud und dass unsere Schritte so groß sein mögen wie die unserer Toten.
Der SupMarcos.
P.S. DER OFFENSICHTLICHEN ANLEITUNGEN. Jetzt bitte ich Sie um die Freundlichkeit, im umgekehrten Kalender, beginnend mit Zurückspulen 1 bis 3 zu lesen, und vielleicht finden Sie so den/die Katze-Hund und vielleicht klären sich einige Zweifel auf. Und ja, Sie können sicher sein, dass mehr Fragen auftauchen werden.
P.S. DAS SICH UM DIE BEZAHLTEN MEDIEN KÜMMERT BZW. DIESE ANGEHT. Ach! Die Anstrengung der Contras in den bezahlten Medien beim Versuch, den wenigen noch verbliebenen Lesern-Hörern-Zuschauern, die Contras sind, Argumente zu liefern, ist bewegend. Aber, großzügig weil Weihnachten ist, sende ich Euch hier einige Tipps, zur Verwendung als periodistisches Material.
– Wenn die Bedingungen, in denen die indigenen zapatistischen Gemeinschaften leben, gleich sind wie vor zwanzig Jahren und in ihrem Lebensstandard keine Fortschritte zu verzeichnen sind, warum „öffnet“ sich die EZLN – wie sie es 1994 mit der bezahlten Presse machte – mit der kleinen Schule, damit die Menschen von unten sehen und direkt, OHNE ZWISCHENGLIEDER erfahren können, was es hier gibt?
Und wenn wir schon beim Fragen sind: Warum hat sich im gleichen Zeitraum die Anzahl der Leser-Hörer-Zuschauer der bezahlten Medien auch exponentiell reduziert? Pst, pst, vielleicht solltet ihr lieber antworten, dass Ihr nicht weniger Leser-Hörer-Zuschauer habt, denn sonst würde das die Werbung und das zusätzliche Taschengeld reduzieren. Ihr könnt jedoch sagen, dass die Leser-Hörer-Zuschauer jetzt „wählerischer“ geworden sind.
– Ihr fragt „Was hat die EZLN für die indigenen Gemeinden getan?“ Und wir antworten mit der direkten Zeugenaussage von Tausenden unserer Compañeros y Compañeras.
Jetzt würdet Ihr, die Eigentümer, Aktionisten, Direktoren und Chefs antworten:
Was habt Ihr gemacht, in diesen zwanzig Jahren, für die Arbeiter der Medien, eines der Sektoren, der am meisten vom Verbrechen getroffen wurde, das von der Regierung, die Ihr so sehr bewundert, ermutigt wurde? Was habt Ihr für die Journalisten getan, die bedrohten, gekidnappten und ermordeten Journalisten? Und für ihre Familien? Was habt Ihr getan, um die Lebensbedingungen Eurer Arbeiter zu verbessern? Habt Ihr ihnen das Gehalt erhöht, damit sie davon würdig leben können und nicht ihr Wort oder ihr Schweigen vor der Realität verkaufen müssen? Habt Ihr die Bedingungen geschaffen, dass sie sich nach Jahren, die sie für Euch gearbeitet haben, in einen bescheidenen Ruhestand zurückziehen können? Habt Ihr ihnen Sicherheit bei der Arbeit gegeben? Will heißen, die Stelle eines Reporters oder einer Reporterin hängt nicht mehr von der Laune des Chefredakteurs oder den „sexuellen Gefallen“ oder anderen Gefallen, die von allen, unabhängig vom Geschlecht, verlangt werden, ab?
Was habt Ihr getan, dass Medien-Arbeiter zu sein die Menschen mit Stolz erfüllt und nicht die Freiheit kostet oder das Leben, wenn man ehrlich ist?
Könnt Ihr sagen, dass Eure Arbeit von den Regierenden und Regierten mehr geschätzt wird als vor zwanzig Jahren?
Was habt Ihr gegen die aufgezwungene oder tolerierte Zensur gemacht? Könnt Ihr behaupten, dass Eure Leser-Hörer-Zuschauer besser informiert sind als vor zwanzig Jahren? Könnt Ihr behaupten, dass Ihr glaubwürdiger seid als vor zwanzig Jahren? Könnt Ihr behaupten, dass Ihr dank Eurer Leser-Hörer-Zuschauer überlebt und nicht dank der Werbung, die zum größten Teil von der Regierung kommt?
Da antwortet Euren Arbeitern und den Leser-Hörer-Zuschauern, genau so, wie wir unseren Compañeros y Compañeras antworten.
Ach kommt, seid nicht traurig. Wir sind nicht die Einzigen, die Euch entschlüpft sind, aus Eurer Rolle des Richters und Henkers, um Vergebung flehend und immer wieder Eure Verurteilung erhaltend. Da ist zum Beispiel auch die Realität.
Vale, nochmals oder mehr als nochmals.
Der Sup, der sich sagt, ein Daumen, der nach unten zeigt, ist besser als ein erhobener Mittelfinger.
Es ist zapatistisches Territorium, es ist Chiapas, es ist Mexiko, es ist Lateinamerika, es ist die Erde. Und es ist Dezember 2013, es ist kalt wie vor zwanzig Jahren und wie damals bedeckt uns heute eine Fahne, jene der Rebellion.
Aus dem Spanischen von Lisa – Colectivo Malantzín