Als ich Ariuntugs Tserenpils Atelier betrat, hatte ich den Eindruck, in einer kleinen Werkstatt oder einem Labor gelandet zu sein. Neben mehreren Holztischen fanden sich Paletten voller Werkzeug, Drähte und Holz, dazu Klebstoff, Farbe, Klebebänder, ein Bohrer – und ein Teleskop. Wie üblich empfing mich der Künstler mit einem stillen Lächeln und lud mich ein, auf seiner Couch Platz zu nehmen. Wir sprachen über seine neuesten Arbeiten – Aufnahmen des Mondes mittels Teleskop, ergänzt durch weitere fotografische Experimente –, ehe wir uns einige seiner frühen Videoarbeiten ansahen. Die genaue Beobachtung von Natur und Objekten sowie der Einsatz von Alltagsgeräuschen sind wichtige Komponenten seiner Videos, deren Bilder nicht selten durch verschwommene Aufnahmen oder Negativeffekte verzerrt werden.
Dann erzählte mir Ariuntugs (geboren 1977 in Ulan-Bator, Mongolei) von seinen kindlichen Gewohnheiten, von seiner Freude am Zerlegen von Spielsachen und anderen zusammengesetzten Dingen und von dem seltsamen Gefühl, diese in aufgelöstem Zustand zurückzulassen. Ich überlegte, wie dieses kindliche Verhalten zu seinem künstlerischen Zugang passte – Ariuntugs’ monotone, minimalistische Arbeiten hinterlassen einen vieldeutigen Eindruck: ein seltsames Miteinander von ruhiger Gelassenheit einerseits und Unordnung andererseits.
Als ich ihn anlässlich der Einladung zur documenta 14 zu seinen Zukunftsplänen befragte, sagte der Künstler etwas, das ehrgeizige Menschen irritieren könnte: „Ich plane meine Kunstwerke nicht wirklich; ich mache meine Arbeit einfach, wenn ich dazu Lust habe. Ich mag den Prozess, aber nicht das Endergebnis. Es geht mir nicht wirklich darum, meine Arbeiten zu zeigen. Wichtig ist das Gefühl, das mir der Prozess gibt. Die Präsentation meiner Werke ist eine andere Art von Prozess, auf den ich mich vorbereiten muss. Unterschiedliche Zeiten und Räume erzeugen immer unterschiedliche Perspektiven.“
Ehe ich das Atelier verließ, sahen wir uns Act (2013) an. Das Video zeigt Ariuntugs beim Kauen und Ausspucken von Moos. Auf die Frage, warum er beschlossen hatte, Moos zu essen, antwortete der Künstler: „Ich persönlich fühle mich immer hilflos, wenn ich sehe, wie wir Menschen die Natur zerstören, um unseren ständig wachsenden Konsumhunger zu befriedigen. Wir verhalten uns allesamt so, als hätten wir keine andere Wahl, als immer größere Mengen zu konsumieren. Eines Tages betrachtete ich das Moos, das ich im Wald gesammelt hatte, und überlegte unvermittelt, wie es wohl wäre, Moos zu essen. Ich versuchte es und filmte mich dabei. Der Geschmack war wirklich grauenhaft.“
— Gantuya Badamgarav