In Griechenland, zwischen Himmel und Erde, bietet die felsige Oberfläche der Erdkruste oft die erste Herausforderung. Sie bildet mit ihren gewundenen Rissen in den Augen des Architekten Christos Papoulias eine endlose, teils sichtbare, teils unsichtbare Stadt. Ungeachtet seiner mächtigen Vorbilder und Lehrer in Venedig, Manfredo Tafuri, Carlo Scarpa und Aldo Rossi, bezieht sich Papoulias konsequent auf diese Stadt und die bescheidenen Wohnstätten, die man über der eigentümlichen und fordernden griechischen Erde zwischen Bäumen und Felsen vor dem unendlichen Horizont des Mittelmeers findet.
Weithin bekannt wurde der 1953 in Athen geborene Papoulias mit seinem Vorschlag für ein Museum auf der Akropolis. Da er auf einem Hang direkt gegenüber wohnte, kam ihm irgendwann der Gedanke, dass die Auffüllung zwischen dem Parthenon und seiner Stützmauer ein Fundament aus archaischer Zeit verdecken könnte. Dank seiner Intuition gelang es ihm, die archäologischen Aufzeichnungen wiederzufinden und eine aus Zyklopensteinen errichtete Mauer zu lokalisieren. Davor wollte er die Skulpturen aus archaischer Zeit ausstellen. Es ist nicht überraschend, dass dieses Projekt nie realisiert wurde.
Wenn Architektur, wie Sir John Soane glaubte, „die Kunst einer so schwierigen wie schmerzhaften Erfindung“ ist, dann ist die Architektur von Christos Papoulias ein Paradebeispiel für diese Mühsal und Schwierigkeit ebenso wie für eine großartige Erfindung. Sempre iniziare, stets von Neuem beginnen, lautet sein Motto. Von einem Projekt zum nächsten kann man seinen Innovationen folgen, etwa bei seinen Wohnhäusern für den Maler Brice Marden und den Arte-povera-Künstler Jannis Kounellis auf der Insel Hydra oder dem Ausstellungsraum für die Minus Objects von Michelangelo Pistoletto. Und doch kehrt Papoulias immer wieder zur Erde und ihren Elementen, zu konkreten Stoffen zurück; er nähert sich darin einer Bewusstheit, ohne die, wie er sagt, in unserem Leben nichts entstehe. Das griechische Word für Wahrheit lautet alitheia und bedeutet „freilegen“. Papoulias’ Projekte erinnern uns ständig daran, dass die Erde selbst freigelegt wird. Wie anders könnte es uns gelingen, unser prekäres Gleichgewicht zu bewahren zwischen der Vergangenheit, die nicht mehr ist, und der Zukunft, die noch kommt, wenn nicht dadurch, dass wir uns in der Erde verankern, während wir uns nach dem Himmel strecken? Dieser Gedanke bildet das Zentrum von Papoulias’ Œuvre. Stets von Neuem nimmt er die Haltung des absoluten Anfängers ein. Als wäre nichts bekannt und selbstverständlich außer der bloßen Begegnung zwischen dem empfindsamen Wesen und der rauen Stofflichkeit der Welt, aus der, und mittels deren, Architektur Form annimmt.
— Yehuda Emmanuel Safran