„Die Bewegung des Auges, die Spuren vorüberstreichender Blicke, Muskeln, die sich zusammenziehen und wieder entspannen, verbinden die Formen, die wir in der Natur sehen und bilden einen einheitlichen Rhythmus ... Dieser Rhythmus ist hauptsächlich der Rhythmus autonomer Bewegungen, der vom Nerven-Muskel-System ausgeht. Ein physiologischer Rhythmus, der die Inhalte der vereinzelten Blicke verbindet. Der an- und abschwellende Rhythmus pulsierender Achsenlinien, eine Folge der biologischen Reaktion der Muskeln, ordnet sich die visuelle Vereinigung einzelner Blicke unter, transformiert sie und bringt einen sich ständig wechselnden Rhythmus unregelmäßiger Symmetrie hervor.“
—Władysław Strzemiński
Władysław Strzemiński (1893–1952) wurde in Minsk, im heutigen Weißrussland, geboren. Er war eine der Schlüsselfiguren der Avantgardebewegung in Polen. Infolge eines tragischen Unfalls während seines Wehrdienstes im Ersten Weltkieg verkrüppelt, entwickelte Strzemiński ein Interesse für die Künste. Gemeinsam mit seiner Frau, der Bildhauerin Katarzyna Kobro, studierte und arbeitete er in Russland weiter, ehe sie beide in den frühen 1920er Jahren wieder nach Polen zurückkehrten. Strzemińskis Schaffen ist eine tiefgreifende Auslotung der Prinzipien, die dem menschlichen Sehen zugrunde liegen.
Während des Zweiten Weltkriegs lebte Strzemiński in Łódź und wurde dort von 1940 an Augenzeuge der Massendeportationen und der unsäglichen Grausamkeiten im jüdischen Ghetto durch die deutsche Besatzung. Diese Erlebnisse spiegeln sich in den beiden Serien der Arbeiten auf Papier wider, in denen die Konturen menschlicher Figuren zerfließen und sich bis zur Unkenntlichkeit auflösen.