Inspiriert von der letzten Rede Rosa Luxemburgs, findet Lady R im Kontext des öffentlichen Kunstprojekts Monument to Revolution von Sanja Iveković statt.
Idee: Sofia Mavragani, Performerin: Chara Kotsali, Originalmusik: Martha Mavroidi
Performance Text
[Auszüge aus der letzten bekannten Schrift von Rosa Luxemburg. Der Text entstand, kurz nachdem der Spartakus-Aufstand von der deutschen Regierung niedergeschlagen worden war und in den Stunden vor ihrer und Karl Liebknechts Festsetzung und Ermordung durch ein Freikorps.]
„Ordnung herrscht in Warschau!“ „Ordnung herrscht in Paris!“ „Ordnung herrscht in Berlin!“ So laufen die Meldungen der Hüter der „Ordnung“ jedes halbe Jahrhundert von einem Zentrum des weltgeschichtlichen Kampfes zum anderen. Und die frohlockenden „Sieger“ merken nicht, dass eine „Ordnung“, die periodisch durch blutige Metzeleien aufrechterhalten werden muss, unaufhaltsam ihrem historischen Geschick, ihrem Untergang entgegengeht.
Noch mitten im Kampf, mitten im Siegesgeheul der Gegenrevolution müssen sich die revolutionären Proletarier über das Geschehene Rechenschaft ablegen, die Vorgänge und ihre Ergebnisse am großen historischen Maßstab messen. Die Revolution hat keine Zeit zu verlieren, sie stürmt weiter – über noch offene Gräber, über „Siege“ und „Niederlagen“ hinweg – ihren großen Zielen entgegen. Ihren Richtlinien, ihren Wegen mit Bewusstsein zu folgen, ist die erste Aufgabe der Kämpfer für den internationalen Sozialismus.
Die Revolution operiert eben nicht aus freien Stücken, in einem offenen Blachfeld, nach einem schlau von „Strategen“ zurechtgelegten Plan.
Ihre Gegner haben auch die Initiative, ja, sie üben sie in der Regel viel mehr als die Revolution selbst aus. […] Ja, es war Ehrensache der Revolution, sofort den Angriff mit aller Energie abzuschlagen, sollte nicht die Gegenrevolution zu weiterem Vordringen ermuntert, die revolutionären Reihen des Proletariats, der moralische Kredit der deutschen Revolution in der Internationale erschüttert werden.
Nun ist es inneres Lebensgesetz der Revolution, nie beim erreichten Schritt in Untätigkeit, in Passivität stehenzubleiben. Die beste Parade ist ein kräftiger Hieb. Diese elementare Regel jeden Kampfes beherrscht erst recht alle Schritte der Revolution.
Auch hier stehen wir vor einem der großen historischen Gesetze der Revolution, gegen die alle Klügeleien und Besserwissereien jener kleinen „Revolutionäre“ [...] zerschellen, die in jedem Kampfe nur nach Vorwänden zum Rückzug haschen. Sobald das Grundproblem der Revolution klar aufgestellt worden ist [...],taucht dieses Grundproblem immer wieder in seiner ganzen Aktualität auf, und jede einzelne Episode des Kampfes rollt mit der Fatalität eines Naturgesetzes das Problem in seinem vollen Umfang auf, mag die Revolution zu seiner Lösung noch so unvorbereitet, mag die Situation noch so unreif sein. [Sie] treibt dadurch von selbst, durch ihre innere objektive Logik, ob man es will oder nicht, jede Kampfepisode auf die Spitze.
Aus diesem Widerspruch zwischen der Zuspitzung der Aufgabe und den mangelnden Vorbedingungen zu ihrer Lösung in einer anfänglichen Phase der revolutionären Entwicklung ergibt sich, dass die Einzelkämpfe der Revolution formell mit einer Niederlage enden. Aber die Revolution ist die einzige Form des „Krieges“ – auch dies ihr besonderes Lebensgesetz –, wo der Endsieg nur durch eine Reihe von „Niederlagen“ vorbereitet werden kann!
Was zeigt uns die ganze Geschichte der modernen Revolutionen und des Sozialismus? Das erste Aufflammen des Klassenkampfes in Europa, der Aufruhr der Lyoner Seidenweber 1831, endete mit einer schweren Niederlage. Die Chartistenbewegung in England – mit einer Niederlage. Die Erhebung des Pariser Proletariats in den Junitagen 1848 endete mit einer niederschmetternden Niederlage. Die Pariser Kommune endete mit einer furchtbaren Niederlage. Der ganze Weg des Sozialismus ist – soweit revolutionäre Kämpfe in Betracht kommen – mit lauter Niederlagen besät. Und doch führt diese selbe Geschichte Schritt um Schritt unaufhaltsam zum endgültigen Siege!
Wo wären wir heute ohne jene „Niederlagen“?
Allerdings unter einer Bedingung! Es fragt sich, unter welchen Umständen die jeweilige Niederlage davongetragen wurde: Ob sie sich dadurch ergab, dass die vorwärtsstürmende Kampfenergie der Massen an die Schranke der mangelnden Reife der historischen Voraussetzungen geprallt, oder aber dadurch, daß die revolutionäre Aktion selbst durch Halbheit, Unentschlossenheit, innere Schwächen gelähmt war.
Beides! Der zwiespältige Charakter dieser Krise [...] ist das besondere Kennzeichen dieser jüngsten Episode.
„Ordnung herrscht in Athen!“ „Ordnung herrscht in Kassel!“ Ihr stumpfen Schergen! Eure „Ordnung“ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon „rasselnd wieder in die Höh’ richten“ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden:
Ich war, ich bin, ich werde sein!