Das Mittelmeer ist seit jeher Schauplatz eines anhaltenden Durchgangsverkehrs der Identitäten, Zugehörigkeiten und kulturellen Vererbungen, begrenzt im Osten von der überragenden Bedeutung Mesopotamiens, demgegenüber sich Griechenland und die heutige Türkei als entscheidende Räume des übersetzenden Kulturtransfers konstituierten. Das Mittelmeer ist auch heute noch ein Ort anderer Sichtweisen, anderer innerer Landkarten. Es teilt und verbindet, es verleiht der Realität, die wir als verbindend und trennend erleben, eine Form. Es lehrt uns, dass Geschichte eine Mehrzahl hat und in viele verschiedene Richtungen verläuft. In diesem Geflecht nationenübergreifender Geschichten sind die globalen, über den Mittelmeerraum führenden Routen der zeitgenössischen Migration nicht einfach nur ein sozioökonomisches Phänomen, sondern integraler Bestandteil und Erbe des Westens, seiner politischen Ökonomie, seiner Ausübung asymmetrischer Machtverhältnisse. Im dichten Netz unsteter, voneinander abhängiger historischer Prozesse erforschen wir einen Raum kritischer Trennungen und begieriger Begegnungen zwischen Orient und Okzident, Norden und Süden. Die vielen verschiedenen Koordinaten dieser Begegnung führen uns auch zur Betrachtung eines verschwiegenen Kapitels der griechischen Geschichte: der Flucht vieler Griech_innen aus der Türkischen Republik nach 1922 und ihre Neuansiedlung unter anderem in einem Stadtteil von Piräus. So erschließen wir zugleich die lokalen Anekdoten dieses Viertels für ein offenes Geschichtslabor.