Als die Alliierten gegen die Achsenmächte kämpften und die Truppen einander auf europäischem Boden gegenüberstanden, setzten beide Seiten die Strategie des Flächenbombardements ein. Dieses Vorgehen hatte zivile Opfer von bislang in Westeuropa unerreichtem Ausmaß zur Folge. Ganze Städte wurden ausradiert und ihre Bewohner unter dem Schutt begraben. Mein Großvater mütterlicherseits war eines der Opfer, als die Alliierten die Stadt Nantes 1943 schwer bombardierten. Als Kind erschienen mir das Bild und die Konsequenzen von Bomben nicht real. Bomben waren für mich, wie für viele meiner Altersgenossen, reine Fantasiegebilde. Erst als ich viel älter war, begriff ich die schreckliche Niedertracht von Bomben: als mir nämlich plötzlich klar wurde, dass wir nicht Blumen auf das Grab meines Großvaters legten, sondern stattdessen ein anonymes Massengrab besuchten. Vielleicht stolperte ich damals schon in Gedanken über den Begriff „Marshallplan“ – das Programm, das den Wiederaufbau Europas finanziell unterstützte: Man organisiert eine massenhafte Zerstörung und kümmert sich danach um den Wiederaufbau der vom Krieg verwüsteten Städte, wie man ein Haus wiederaufbaut und einen Plan zur Stadtentwicklung neu zeichnet.
Man baut ein „Marshall“-Dorf aus zurechtgeschnittener Pappe, ebenso wie wir reihenweise Zelte aufbauen für die Flüchtlinge. Genau hier, unter dieser scheinbar so friedfertigen Wolke.
Eine simple, wiederholbare Geste, wie bei einem Roboter. Ausbreiten, nachziehen, schneiden, montieren, zurechtrücken, und dann wieder von vorn. Alles scheint perfekt zu sein, mit Ausnahme der Wolke, die aussieht, als würde sie größer werden, dicker und dunkler. Vielleicht ein Blitzschlag, eine sanfte Brise, dann einige schwere Regentropfen, ein Schauer, vielleicht gar ein Gewitter mit Wassermassen! Das „Marshall“-Dorf fällt in sich zusammen, trotz der Energie, die dazu aufgewendet wurde, es zu retten. Es verwandelt sich zu Brei, eine klebrige Schweinerei, in der Körper versinken …
—Phia Ménard
Team
Künstlerische Leitung, Choreografie und Performance: Phia Ménard
Assistenz: Jean-Luc Beaujault
Musik und Klangraum: Ivan Roussel
Bühnenmeister: Pierre Blanchet und Rodolphe Thibaud
Kostüme: Fabrice Ilia Leroy
Technische Leitung: Olivier Gicquiad
Stellvertretende Leitung, Produktion und Verwaltung: Claire Massonnet
Produktionsassistenz: Clarisse Merot
Public Relations: Adrien Poulard
Produktionsleitung: Compagnie Non Nova
Non Nova wird unterstützt vom französischen Ministerium für Kultur und Kommunikation – DRAC des Pays de la Loire, Stadtrat von Nantes, Conseil Régional des Pays de la Loire, Conseil Départemental de Loire-Atlantique, Institut français sowie der BNP Paribas Foundation. Die Compagnie ist ansässig in Nantes. Die Compagnie Non Nova/Phia Ménard ist von 2014 bis 2018 Associated Artist am l’Espace Malraux – Scène Nationale in Chambery. Die Compagnie Non Nova ist Associated Artist am Théâtre Nouvelle Génération – Centre Dramatique National in Lyon und von 2016 bis 2018 Companion Artist am Centre Chorégraphique National de Caen, Normandie.
Das Projekt Mother House erhielt zusätzliche Zuwendungen vom Institut français und der Stadt Nantes.
Eintritt: 10 € / 2 € mit gültigem documenta Ticket; Karten an den documenta 14 Verkaufsstellen und an der Abendkasse