In ihrer Kurzgeschichte „The Iron Table“ (1943) beschreibt Jane Bowles ein Paar bei der Auseinandersetzung darüber, ob die Frau mit einem Leben in der Wüste, zu dem es den Mann zieht, glücklich werden könnte. Die beiden sitzen an einem beiläufig erwähnten eisernen Tisch, unweit einer „zwischen Pfosten gespannten Schnur, die das Hotelgrundstück vom Bürgersteig trennte“. Dieser titelgebende Tisch erweist sich nicht nur als Spielfeld des richtungslosen, mit Hintersinn betriebenen Gesprächs, sondern auch als Symbol dessen, was die Frau „Zivilisation“ nennt. Immer wieder bringt die Erzählung in der Folge die Dualität von hier und dort durcheinander, bis nicht nur „die Zivilisation“ und „die Wüste“, sondern auch die Wunschvorstellungen und Sehnsüchte der Figuren beinahe schon selbst zu Räumen geworden sind.
Diese Szene, in der ein Gegenstand zum Schauplatz eines Dialogs, aber auch einer Verstrickung persönlicher, emanzipatorischer und politischer Motive im Leben der Autorin wird, inspirierte Nairy Baghramian zu einer ihrer ersten Arbeiten. Die ursprüngliche Version der Skulptur The Iron Table (2002), die in Kassel gezeigt wird, erkennt schon im Titel die konzeptuelle Anregung durch Bowles’ Erzählung an. Sie ist ein abstraktes Ensemble unterschiedlicher Formen und Materialien, die in teils mehrfacher Brechung Motive aus der Geschichte übernehmen. Auch die Schnur mit den dreieckigen Wimpeln kommt vor, doch ist sie nun zwischen dem Boden und einem Mast gespannt und lässt die Arbeit wie ein im Ausstellungsraum gestrandetes Segelboot wirken. Formen aus lackierten Holzplatten evozieren eine Vorstellung von Wellen, umspült von Sand. Eine reflektierende Tischplatte trägt zwei jeweils von schlanken zylindrischen Stäben eingekreiste Kegel. Ein Bezug zwischen Werk und Erzählung ergibt sich auch aus Bowles’ Artikulation der Abgründe der Unübertragbarkeit fortschrittlicher emanzipatorischer Modelle in Kunst und Literatur einerseits und deren Übertragung in Realitäten andererseits, ganz gleich, aus welcher Richtung man sich nähert.
Baghramians Arrangement funktioniert ähnlich wie die farbigen geometrischen Formen der Malerin Aleksandra Ekster, die als das Aufrufen miteinander verwobener und gleichzeitig distanzierter Seinszustände gedeutet werden können, und spielt damit auf die Möglichkeiten von Farben und Formen als Vermittler zwischen den Welten an. Für Ekster und andere rechtfertigten solche potenziellen Fluchtwege das Experimentieren mit der Form. Bei der deutschen, 1971 im Iran geborenen Künstlerin Baghramian wird ein détournement solcher Strategien erkennbar. Drawing Table (2017), die jüngste Umsetzung ihrer frühen Arbeit The Iron Table, die in Athen zu sehen sein wird, verheißt keine Weltflucht, sondern verweilt in der Komplexität und Kontingenz unserer Realität.
— Rachel Haidu