Constantinos Hadzinikolaou, 1974 in Athen geboren, ist ein ungewöhnlicher Fall. Als Künstler bewegt er sich an der Schnittstelle zwischen Film und Literatur oder auch in beiden Bereichen zugleich, mit gleicher Intensität und dem Bedürfnis, die Gattungsgrenzen zu überschreiten. Als Filmemacher dreht er flüchtige „Dokumentarfilme“ ohne Drehbuch und Ton auf Super 8 und erzeugt Bilder, in denen die Zeit aufgehoben scheint. Als Autor verfasst er abstrakte, präzise Texte von unterschiedlicher Länge in einer Sprache, die direkt, beinahe mündlich, klar und häufig roh ist. Ausgehend von einer bestehenden realen oder fiktiven Geschichte wird er zu einer Art Fälscher: Er verschränkt das Reale mit dem Imaginären, das Politische mit dem Alltäglichen und Persönlichen, sodass der Traum ein Teil der Realität und die Realität ein Teil seiner Erzählung wird.
Ob im Rahmen eines Romans (Iakovos, 2016), einer einzigen Filmminute (Ánthropos Stróma, 2005) oder der Mischform einer Text-Film-Installation oder Lecture Performance, in der Dokumentarfilm auf Fiktion trifft: Hadzinikolaou verfolgt einen poetischen – oder antipoetischen, wie er es lieber sieht – Ansatz. Dieser ist auch oder zufällig politisch, weil für Hadzinikolaou ein Text umso gewalttätiger und politischer wird, je poetischer (das heißt, je präziser) er ist. Er glaubt an die Macht des Alltags, durch die das Politische realisiert werden kann. Ausgehend von einer kleinen Form und der Spannung des Unmittelbaren geht er mittels eines beinahe methodischen Assoziationsverfahrens zu größeren Kompositionen über. Rhythmus ist für sein Nebeneinander von Film und Text von zentraler Bedeutung: Während der Film stumm fortschreitet, wird der Text zu seinem fehlenden Ton; er vervollständigt – und verzerrt – die Geschichte.
Für die documenta 14 hat Hadzinikolaou beschlossen, mit zwei Theaterstücken zu arbeiten, dem Klassiker Woyzeck (1879) von Georg Büchner und Nikos Kasdaglis’ Tholami (1987). In seiner Inszenierung entdeckt Hadzinikolaou ungeahnte Zusammenhänge zwischen dem sehr handlungsorientierten Tholami, das (vermutlich in Anspielung auf die realen Ereignisse im Athen der 1980er Jahre) den qualvollen Versuch der Flucht vor einer gewalttätigen Auseinandersetzung schildert, und der erdrückenden Trägheit von Woyzeck, der mit dem Tod des Autors unvollendet blieb. In beiden Geschichten scheitert der Protagonist auf ihm eigene, tragische Weise. Drei neue Texte und zwei Filme vermengen Elemente der beiden Geschichten mit realen Ereignissen und imaginären Vorstellungen: ein Zwitterwesen mit dem Kopf von Woyzeck und dem Körper des Helden von Tholami.
— Katerina Tselou