Kongolesische Messe
Für Sammy Baloji (geboren 1978 in der Demokratischen Republik Kongo, lebt und arbeitet in Brüssel)
Körper, aus ihren Träumen gerissen
Körper, restlos unterjocht
Körper, ausgeblutet
Körper, ohne Nahrung und ohne Antrieb
(und verschlissen auf dem Schwarzmarkt der Erinnerung)
Körper, ausgetrocknet von der Hitze
Körper, verdammt zur Anmaßung von Hunger, Durst, Erschöpfung, zu unbekannten Krankheiten, zum Zusammenbruch, zur Maßregelung – und immer wieder und für alle Zeiten zu dieser fast zwanghaften Erschöpfung, die von unten an dir nagt, die sich durch deinen Körper windet und deinen Kopf zum Schwirren bringt
Körper, mechanisiert
und zur ewigen Schinderei in den Minen befohlen
endlose Strapazen des Tunnels, mosala ya mpunda
Körper, diese Körper, deren einzige Rast der (ewige) Schlaf ist
graben, pausenlos
graben, im wörtlichen, übertragenen, kongolesischen Sinn
graben bei Tag, bei Nacht, jahrelang, Jahrhundert um Jahrhundert
Tag für Tag dieselbe Geste, elegant, abrupt, ruckartig, rasch, unbeholfen, piano mezzo forte
graben zu Ehren des Königs
graben für die Königin
graben für das Königreich
graben im Namen der Zivilisation
graben, denn deine Glieder müssen zerschlagen werden
schieb deine Ahnenreihe und den ganzen Kram zur Seite
damit du teilnehmen kannst am Lauf der Welt, des Fortschritts und der Menschheit
auch wenn du, mit leeren Händen und zusammengebissenen Zähnen, als kleines Rädchen der Geschichte endest
und, ja, weil Opfer fürwahr nötig sind, muss irgendjemand Blut, Geifer, Speichel, Sperma, kurzum, jedes einzelne Organ seines protozoischen Körpers hingeben, um die Maschine am Laufen zu halten, damit jeder seinen Löwenanteil bekommt
auch er, der sein Skelett zurücklässt, weil es doch vor allem zum Wohl der Welt ist
und nur wenige Kabellängen entfernt von jenen, die mit ihren Händen graben
andere graben mit ihren Stimmen
wie der Chor von Croix du Cuivre
gegründet von Father Lamoral, nach seinem Tod fortgeführt von seinem Assistenten, dem Organisten Joseph Kiwele
Stücke von durchdringender Traurigkeit und ebenso leidenschaftlicher Tiefe darbietend
denn wir müssen Gott geben, was Gottes ist
Herr, vergib uns, öffne den Himmel und lass uns deine Gnade zuteilwerden
Herr, gewähre uns ein menschliches Antlitz
Herr, begleite uns durch alle Prüfungen des Lebens
Mischung aus einschmeichelndem Blues, der vom Alltagsleben erzählt oder seinen Paroxysmus in der Natur findet
KAMPASA:
Lied der Mine
KALABI KUDI MINONGO:
Lied des Schmelzens
NGELE NGELE NGELE:
Lied der Schmiede
NDAYE LUOMBA:
Lied der Rückkehr ins Dorf
BATATA DIA BWANGA:
Lied der Elefantenjagd
BYABULO LOLO:
Lied der Paddler, Teil 1
BANZE KALOLO:
Lied der Paddler, Teil 2
— Fiston Mwanza Mujila