1975 unternahm Christopher D’Arcangelo (1955–1979) eine Reihe von unautorisierten Aktionen in den großen Museen New Yorks. Die anarchistischen Statements, die diese Aktionen sowie auch alle darauffolgenden Interventionen bis zu D’Arcangelos frühen Tod begleiteten, markieren den Bruch mit dem lange bestehenden Tabu des Anarchismus als legitime politische Haltung und Doktrin, ebenso wie die populäre Wiederkehr des Anarchismus in der Frühzeit des Punk. D’Arcangelo war jedoch kein Outsider des zeitgenössischen Kunstbetriebs. Auch wenn er seine Arbeiten noch nicht öffentlich ausgestellt hatte, war er doch zu jener Zeit Assistent der Künstler Stephen Antonakos und Daniel Buren und arbeitete darüber hinaus auch für die gerade eröffnete John Weber Gallery, die eine ganze Reihe von Künstler_innen des Post-Minimalismus und der Concept Art sowohl aus Nordamerika als auch aus Europa vertrat. D’Arcangelos Arbeiten, die er selbst sorgfältig dokumentierte, bezeugen seinen einzigartigen Status als Künstler und zeigen darüber hinaus den intensiven Dialog und die Debatte in der Kunstwelt bezüglich ihrer zunehmenden Institutionalisierung Mitte bis Ende der 1970er Jahre.
—Dean Inkster
Functional Constructions (mit Peter Nadin), 1977–78
Im September 1977 entstand eine enge Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Christopher D’Arcangelo und dem englischen Künstler Peter Nadin, der gerade in New York angekommen war nachdem er im Jahr zuvor sein Studium an der Universität von Newcastle-Upon-Tyne abgeschlossen hatte. Die Künstler trafen sich, als beide am PS1 jobbten, dem ausrangierten öffentlichen Schulgebäude in Queens, das im Jahr zuvor unter der Schirmherrschaft des Institute for Art and Urban Resources, Inc. als Zentrum für experimentelle Kunst wiedereröffnet worden war. Sie arbeiteten gemeinsam an der Konstruktion eines eigenen Ausstellungsraumes mit weißen Wänden – einem Raum im Raum – in der ehemaligen Aula der Schule für eine bevorstehende Ausstellung der Künstler Bob Stanley und Bart Wasserman. Dies verhielt sich in einer Weise konträr zur Philosophie des PS1 als alternativem Ausstellungsort. Die Eröffnungsausstellung Rooms hatte sich gerade dem musealen Standard von Ausstellungsdisplays widersetzt, indem es die bestehenden Räume einem beeindruckenden Aufgebot an Künstlern nicht als neutrale Container, sondern gerade in ihrem heruntergekommen Zustand als gefundenes Material darbot, das in die Arbeiten integriert wurde. Das mag D’Arcangelo und Nadin zu einer kritischen Reflexion ihrer Auftragsarbeit angeregt haben. Als sie die Arbeit beendeten, hatte sich das, was als lebhafter Austausch begonnen hatte, in einen Vertrag verwandelt, den sie aufsetzten und (in Zusammenarbeit mit ihrem Mitarbeiter Steve Smulka) ihren Auftraggeber_innen zur Unterzeichnung vorlegten. Der Vertrag listete methodisch die investierte Arbeit und das gesamte verwendete Material auf. Ein fotokopiertes maschinengeschriebenes Handout mit der Überschrift „Seventeen days work“ (Die Arbeit von siebzehn Tagen) lud ein potentielles Publikum dazu ein, das Ergebnis der sonst anonymen Arbeit während der Öffnungszeiten zu betrachten.
Indem sie ihre Arbeit auf diese Art und Weise vostellten, wollten D’Arcangelo und Nadin nicht etwa ihr Handwerk als Kunst ausstellen, sondern vielmehr die Unterscheidung zwischen beiden in Frage stellen, wenn nicht gar aufheben. Daraus ergab sich der Term „Functional Construction“, mit Referenz auf eine Richtung der historischen Avantgarde, der es ebenfalls darum ging, diesen Unterschied aufzuheben. Dieser Begriff tauchte zusammen mit der Betonung der kollaborativen Untermauerung in einer Erklärung auf, der dem Vertrag und dem Handout beigelegt war. „Wir haben uns zusammengetan, um funktionale Konstruktionen auszuführen und bestehende Strukturen zu verändern oder zu verschönern, als Überlebensmaßnahme in einer kapitalistischen Ökonomie. D’Arcangelo und Nadin führten ihre kollaborative Arbeit im folgenden Jahr weiter und erweiterten das Spektrum ihrer Konstruktionsarbeiten auf Galerien und Wohnräumen in Manhattan aus, manchmal auch in Zusammenarbeit mit anderen Künstler_innen. Die Zusammenarbeit kulminierte in Thirty days work, das sie im November 1978 zusammen mit ihrem Mitstreiter Nick Lawson ausführten. Der Job beinhaltete die Aufteilung von Nadins Downtown-Loft am 48 Broadway, um darin eine nichtkommerzielle Galerie zu eröffnen. Das Resultat ihrer Arbeit ahmte die Konvention von Ausstellungsdisplays bewusst nach und diente als Impetus für eine kumulative Gruppenausstellung, in der andere Künstler_innen wiederum eingeladen waren, „auf die existierenden Bedingungen und/oder vorher in dem Raum gezeigten Arbeiten“ zu antworten.
—Dean Inkster