Abgesehen von ihren offenkundigen Anklängen an die Postmoderne wirkt die documenta Halle wie ein sich an den Hang anschmiegender Körper, der Besucher_innen vom Friedrichsplatz zur Orangerie und zur Karlsaue führt – ein Organismus aus Stahl und Glas, der sich im Sommer aufheizt und im Winter kalt bleibt. Bei ihrer Eröffnung 1992 anlässlich der documenta 9 verglich der damalige Kurator Jan Hoet die documenta Halle mit der Akropolis, um an den Stolz der Kasseler Bürger über diesen jüngsten Neuzugang zu ihrer Stadt zu appellieren. 25 Jahre später wird die documenta Halle im Angesicht des Parthenons (der Bücher) von Marta Minujín zu einem Ort orchestrierter und triebhafter Bewegung.
Im ersten Teil des Gebäudes führt diese Bewegung nach unten mit einer Gruppe von Werken, die sich mit dem Spektrum zwischen Partitur und Notation einerseits und der eigentlichen Aufführung andererseits beschäftigen, wobei die Kabinette des Gebäudes dieser Bühne Form und Farbe verleihen. In einem Zwischengeschoss mit Blick auf den Friedrichsplatz findet sich zudem der Listening Space Kassel, der als ein Archiv der vielfältigen fortlaufenden soundbasierten Veranstaltungen der Athener Ausstellung dient. Indem sie hier über Kopfhörer miterlebt werden können, wird nicht nur das Athener Publikum erweitert, sondern auch ein komprimierter tonaler Kontrapunkt zur visuellen Identität Kassels geschaffen. Das Zuhören wird zu einer Möglichkeit, von Kassel aus dem physischen Raum und der Zeit Athens, seiner Architektur, seiner Zuhörerschaft und seinen Performances nachzuspüren.
Schreitet man durch die Haupthalle der documenta Halle, ertönt ein Konzert, das die Partitur der Musik in Äußerungen anderer Art verwandelt: unvermutete Musikinstrumente, eine Partitur, die ihre eigenen Worte verwebt, und eine Bühne, die den Ausstellungsraum anpasst. Am Ende der Halle leuchtet ein Sonnenstrahl auf, dessen Wärme das natürliche Material versorgt, welches hier möglicherweise wächst, aber keine Wurzeln schlagen kann. Die Bewegung endet mit einer Passage, die die Weichen neu stellt, nämlich dem Ausgang zur Karlsaue, der die nonchalante Streckung der schlanken Architektur vervollständigt.