Sie wollen Dinge geheim halten.
Diese ganzen Lügen füllen unsere Augen mit Staub.
— Regina José Galindo
In Regina José Galindos Rescue (2017) hört man die Handlung, bevor man sie sieht. Ihre in Athen gezeigte Performance ist eine Reaktion auf die mit den Rettungsmaßnahmen der EU verbundenen Fehlinformationen, Schwächezuweisungen und Machtdemonstrationen. Für viele ist „die Rettung gefährlicher als die Krise“. Wie Galindos Rescue unterstreicht, geht es bei dieser Rettung nicht nur um Geld, sondern ganz real um Leben und Tod. Ihre ironisch-spektakuläre Performance, bei der ein Helikopter zum Einsatz kommt, deckt den Widerspruch im Herzen der Rettungsaktion auf, ob diese nun ökonomischer oder anderer Art ist: Das Freilassen dient auch dazu, die Freiheit der Befreier neu einzuschreiben.
Galindo, 1974 inmitten des Bürgerkriegs in Guatemala-Stadt geboren, ist für ihre Risikofreude sowie das Ausloten der Grenzen ihres Körpers und seiner Ausdrucksfähigkeit bekannt. Sie hat sich dem Waterboarding unterzogen (einer Foltermethode, bei der das Ertränken simuliert wird) und ist über Tage gefesselt und angekettet ihren täglichen Aufgaben nachgegangen. Sie hat sich sogar das Wort perra (Hündin, Schlampe, Hure) in den Oberschenkel geritzt, um an die Verstümmelung ermordeter Guatemaltekinnen zu erinnern (2005 fand man Frauenleichen, in deren Haut die Worte „muerte a todas las perras“ [Tod allen Schlampen] eingeritzt waren). Doch sie unternimmt auch weniger plakative Interventionen: Galindo hat beispielsweise ein Treffen von Menschen zur Anhebung der Raumtemperatur inszeniert und mit Fußspuren aus Blut den Weg zwischen dem Verfassungsgericht von Guatemala und dem Nationalpalast markiert.
Die Arbeit Objective (2017) zeigt Galindo in der Mitte eines geschlossenen Raums in Kassel, wo sie nur durch den Blick in einen Gewehrlauf zu sehen ist. Deutschland zählt zu den fünf größten Waffenherstellern der Welt. Ein Großteil der deutschen Rüstungsgewinne stammt aus dem Verkauf der Sturmgewehre G36 von Heckler & Koch, die in Konfliktzonen in aller Welt, darunter auch den amerikanischen Kontinent, exportiert werden. (Wie Galindo anmerkt, handelte es sich bei den Waffen, mit denen die 43 Studierenden aus Ayotzinapa in Mexiko bei der Massenentführung in Iguala erschossen wurden, um genau diesen Typ.) Auch wenn sich die Künstlerin in gefährliche Situationen begibt, ist sie nie Opfer. Ihre Verletzlichkeit entlarvt unsere Anfälligkeit: Verspürt man beim Blick durch den Gewehrlauf den Impuls, wegzuschauen, einzugreifen oder abzudrücken?
— Candice Hopkins