Agnes Denes

Agnes Denes, 4,000 B.C. (1973), Tusche auf Millimeterpapier, 45,7 × 55,9 cm, courtesy Agnes Denes und Leslie Tonkonow Artworks + Projects, New York

 

Agnes Denes, Installationsansicht, Hochschule der Bildenden Künste Athen (ASFA) – Pireos-Straße („Nikos-Kessanlis“-Ausstellungshalle), Athen, documenta 14, Foto: Stathis Mamalakis

Agnes Denes, The Living Pyramid, 2015/2017, verschiedene Materialien, Nordstadtpark, Kassel, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Was geschieht, wenn sich die Spannung zwischen zwei Polen entlädt?
Wenn die Schwerkraft manipuliert wird?
Wenn die Kontinente auseinanderdriften und neue Land- und Wasserkonstellationen entstehen?
Wie sähe die Welt aus, wenn man die oberste Schicht des Globus abschälen könnte, um eine Welt darunter zum Vorschein zu bringen?

Diese Fragen radikaler Verschiebung, bei denen die Naturgesetze bewusst Veränderungen ausgesetzt werden, offenbaren neue Möglichkeiten und erschließen neue Wissenspotenziale. Außerdem sind es genau die Fragen, mit denen sich Agnes Denes beschäftigt. Geboren 1931 in Budapest und seit 1954 in New York lebend, dringt sie mit ihrer visionären künstlerischen Praxis weit in die Tiefen von Wissenschaft, Philosophie und Menschsein vor. Kunst ist für sie Teil „einer dynamischen, evolutionären Welt, in der Gegenstände Prozesse und Formen dynamische Muster sind, in der Maß und Konzepte relativ sind und die Realität sich endlos aneinanderreiht“.

Denes’ Untersuchung dynamischer Strukturbildung zeigt sich beispielhaft in ihrer Serie von Pyramiden: Es gibt Pyramiden aus 11.000 Tannen, Kristallblöcken und mikroskopischen Anhäufungen menschlichen Staubes; es gibt gezeichnete Pyramiden, die sich in Schneckenhäuser, fliegende Vögel und Mantarochen verwandeln. Es gibt Pyramiden aus Plexiglas, die mit Öl und verunreinigtem Wasser gefüllt sind, und andere, die Prototypen für zukünftige Städte sind. Eine ihrer größten realisierten Pyramiden ist The Living Pyramid (2015), die im Socrates Sculpture Park in Long Island City zu sehen ist. Die Skulptur aus aufeinandergestapelten, mit Erde und Tausenden verschiedener lebender Pflanzen gefüllten Holzterrassen ragt neun Meter in den Himmel. Es ist eine soziale Struktur – sozial, weil das gepflanzte Material Vorstellungen von Evolution und Regeneration vermittelt; die Arbeit fördert außerdem eine Mikrogesellschaft aus Menschen, die sich um die Bepflanzung und laufende Pflege kümmern.

Die Pyramiden sind Teil von Denes’ breiterer Bildphilosophie, die unsichtbare Systeme kollektiv aufdeckt und Mehrdeutigkeiten sowie Analogien zwischen unterschiedlichen natürlichen Formen zutage fördert. Sie bietet außerdem die Möglichkeit, uns selbst besser zu verstehen, denn für Denes ist die Natur häufig ein Platzhalter für die Menschheit. Diesen Zusammenhang verdeutlichte Wheatfield—A Confrontation, ein sechsmonatiges Projekt aus dem Jahr 1982, bei dem gut 8.000 Quadratmeter Mülldeponie im New Yorker Battery Park von Hand freigeräumt und mit Weizen bepflanzt wurden. Die im Schatten der damals noch existierenden Türme des World Trade Center reifenden Getreidehalme wurden zu einem Emblem für die paradoxen Auswirkungen der Globalisierung: wie zunehmender Handel und zunehmende Kapitalströme drastische Ungerechtigkeiten schaffen. Die geernteten Weizenkörner von Wheatfield wurden später über Netzwerke weltweit verteilt, um so auf Hungerkrisen hinzuweisen. Wie Denes über ihre Arbeit sagt, waren die Körner keineswegs nur zweckmäßig: „Sie symbolisierten Landmissbrauch, Gier und falsche Prioritäten.“

— Candice Hopkins

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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