Sápmi – Ankommen und Weggehen
Ende der 1970er Jahre kehrte eine Gruppe von Künstler_innen, die Mitte der 1940er und während der 50er Jahre in der Sápmi-Region zur Welt gekommen waren, in ihre Heimat zurück. Sie hatten ihre Ausbildung an diversen Kunstschulen und -akademien im Süden (Norwegens und Schwedens) beendet und brachten von ihren Reisen künstlerische und politische Ideen mit, ähnlich allen Kunststudent_innen jener Zeit. Als Künstler_innen jedoch gingen sie eigene Wege. Ihr politisches und künstlerisches Projekt bestand darin, die Würde und den Stolz der indigenen Bevölkerungsgruppen zurückzugewinnen und eine eigene Nation zu gründen: Sápmi. 1978 ließ sich die Gruppe in einem kleinen Ort namens Máze nieder, an der Straße zwischen Alta und Guovdageaidnu. Dort hatten ein paar Jahre zuvor Proteste gegen den geplanten Bau eines gigantischen Wasserkraftwerks direkt im Herzen des Sámi-Gebiets begonnen. Die Proteste eskalierten, bis die norwegischen Streitkräfte im Jahr 1981 alle Demonstrant_innen fortschafften. Die Sámi mochten den Kampf gegen die Errichtung des Damms verloren haben, doch sie hatten gelernt, für ihre Rechte einzutreten, und ein entschlossener Kampf um Selbstbestimmung und Dekolonialisierung begann. Die im Rahmen der documenta 14 vorgestellten Kunstwerke stammen von drei Mitgliedern der Gruppe und führen dich in die Geschichte ein.
Die Fahne
Reisender, die Trikolore in Blau, Gelb und Rot, 1977 von Synnøve Persen zusammengenäht, führt dich zum Hungerstreik, der im Zuge der Proteste von Alta-Guovdageaidnu vor dem norwegischen Parlament in Oslo abgehalten wurde, und zu den Demonstrationen am Ort des geplanten Wasserkraftwerks. Hältst du auf deinem Pfad inne, so erfährst du von der großen Bedeutung dieser Fahne als politisches Symbol – zu groß, um sie zur offiziellen Flagge zu machen. Hier findest du sie in Form von Gemälden neu gedeutet.
Alltagsleben und Geschichte
Britta Marakatt-Labbas Arbeit führt dich, die Reisende oder den Reisenden, in die Erkenntnistheorie und Erzählkunst der Sámi ein, in der Heiliges und Profanes im Alltag nebeneinandersteht. Du musst nahe herantreten, und wenn du das tust, so wirst du sehen, wie Nadelspitze und Faden das Leinen durchstoßen haben, ein kleiner Stich neben dem anderen: Sichtbarmachung einer epischen Geschichte.
Wie man sich mithilfe von Karten orientiert
Alle Reisenden, die fremd in einem Land sind, brauchen Karten, um sich zu orientieren. Auch die Kolonisatoren wussten das. Wenn sie indigenes Land für sich beanspruchten, gaben sie ihm gleichzeitig auch einen Namen. Hans Ragnar Mathisen hat sich ab 1975 ihre Karten angeeignet und die Ortsbezeichnungen der Kolonisatoren durch Sámi-Namen oder Bezeichnungen aus der Perspektive der Sámi ersetzt. Bist du eine Fremde oder ein Fremder, dann werden dich die Karten in ihrer revidierten Form auf deinen Reisen durch Sápmi leiten und deine Rückkehr sicherstellen.
— Hanna Horsberg Hansen