TERRAISTS. Gordon Hookey – 1961 in Cloncurry, Australien, als Angehöriger des Waanyi-Volkes geboren und heute in Brisbane lebend – malt Worte auf Bilder. YOU CAN’T HAVE OUR SPIRITUALITY WITHOUT OUR POLITICAL REALITY. Im Zusammenwirken inszenieren Worte und Bilder die Lebensrealität der Aborigines in einem gesellschaftlichen und politischen System, das sich direkt auf die Unterdrückung und Ausbeutung im Kolonialismus rückführen lässt. COLONIALHISM. Hookey verdreht englische Wörter. Er ändert ihre Bedeutung, eignet sich eine Sprache an, die nicht seine eigene und doch die einzige ist, die er spricht. SORRY! / FUCK SORRY! / SORRY CAN GO GIT’T FUCKED! / GIVE’S THE REALLY, LUBBLY, DEADLY, BIG, SOLID, GOLDEN SORRY / POOR FELLA U.
Die Geschichte ist uns in gesprochenen und geschriebenen Worten überliefert. Sie kann eine Wunde auf unserem Leib oder ein Schimmer der Hoffnung in unseren Seelen sein. Hookey malt Geschichte in dem Moment, in dem sie gemacht wird – mit Farbe, Form und Erzählung. Sein Interesse an der Historienmalerei reifte im Zuge einer Auftragsarbeit für die Forschungsplattform Frontier Imaginaries, die ihn in Kontakt mit dem kongolesischen Maler Tshibumba Kanda Matulu (auch er ist auf der documenta 14 vertreten) brachte. Mitte der 1970er Jahre stellte Matulu die Geschichte seines eigenen, tief vom Trauma der Kolonisation zerrissenen und von den Gewalten der Militarisierung und des Neoimperialismus gezeichneten Landes in einer Serie von 101 Gemälden dar. Matulus Arbeit brachte Hookey dazu, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was alles zu einer Bildergeschichte seiner Heimat Queensland gehören könnte. Das Ergebnis ist die fortlaufende Malerei-Serie „MURRILAND!“.
Im Mittelpunkt der Serie steht die Entstehungsgeschichte des heute als Queensland bekannten Teils von Australien. Das Projekt wird auf der documenta 14 gezeigt und umfasst eine Serie monumentaler Gemälde in Kassel sowie eine Wandmalerei im öffentlichen Raum in Athen. Hookey stellt die über viele Generationen mündlich weitergegebenen Traditionen der Aborigines neben die koloniale Schöpfung Australiens – die „Erforschung“ und Besiedlung des Landes, die Auslöschung indigener Kulturen und die Durchsetzung einer Nationalerzählung, in der Geschichte zur kolonialen Geschichtsphilosophie wird.
In der Deutung dieser Bilder erschließt sich die Komplexität von Hookeys Vorhaben. Seine Umwandlung geschriebener, gesprochener und gelebter Wörter in ein Bild, das die gegensätzlichen Erzählungen nationaler und kultureller Identität versammelt, lässt am Ende die Geschichte in sich zusammenfallen. Die Darstellung eines Landes, die Matulu geschaffen hat, ist nun in einem singulären Geschichtsbild eingefangen. Im Zuge dessen überführt die Arbeit auch den multinarrativen Raum in einen linearen Raum und macht aus Brüchen Geschlossenheit, aus Subversion Affirmation, aus Mündlichkeit statische Chronik. Hookeys Malerei klingt so kraftvoll und lang wie seine Wörter, und „MURRILAND!“ spricht Bände.
— Hendrik Folkerts