The War of the Relics (2013), das letzte Wandbild, das K. G. Subramanyan vor seinem Tod im Juni 2016 malte, ist mit seinen circa 2,7 mal 11 Metern eine außergewöhnliche, ambitionierte Meisterleistung des menschlichen Geistes. Geschaffen von einem 88-jährigen Künstler in einer intensiven Schaffensphase nach einer großen Operation, vermittelt es zudem ein Gefühl der Dringlichkeit.
Auf den ersten Blick lässt sich kein eindeutiges Narrativ erkennen. Das Gemälde scheint aus einem Wirrwarr an Bildern zu bestehen – heraldischen Motiven, Symbolen, hybriden Kreaturen, dekorativen Ornamenten –, manche davon vertraut, andere fremdartig, wieder andere mythischen Ursprungs oder vom Künstler selbst erdacht. Doch während sich der Betrachter durch diese verwirrende Masse kämpft, beginnt sich vor seinen Augen ein Muster zu entwickeln und damit auch die Geschichte eines Konflikts. Titel, Motive und die chaotische Gestaltung des Bildes weisen darauf hin, dass hier von Krieg führenden Völkerschaften erzählt wird, von konfessionellen Feindseligkeiten und religiöser Intoleranz. Auch dass dieser Krieg mit mittelalterlichen Gesinnungen und modernen Mitteln ausgefochten wird und nur eine Episode in der langen, düsteren Geschichte menschlicher Konfrontationen darstellt, lässt sich daraus erkennen.
Das Werk ist in vielerlei Hinsicht charakteristisch für Subramanyans Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Ursachen von Konflikten. Sie begleitet die Laufbahn des in Kerala geborenen Künstlers und zeigt sich bereits in einem von ihm verfassten und illustrierten Kinderbuch (When God First Made The Animals He Made Them All Alike, 1969). Die Fabel beschreibt, wie Tiere Unterschiede erfinden, um der Eintönigkeit ewiger Gleichheit zu entgehen, und sich dann so sehr in ihre Verkleidungen verlieben, dass sie ihre Einfühlungsgabe verlieren. In Terrakottareliefs wie Generals and Trophies (1971) und Anatomy Lesson (2008) oder auch in Gemälden wie The City Is Not for Burning (1993), Massacre of the Innocents (2002) und Divided City (2002) – alle durch Konflikte oder innere Unruhen angestoßen – greift der Künstler diese Thematik erneut auf.
Subramanyan, vor seiner Zeit als Künstler Gandhi-Aktivist, verurteilte Gewalt im Namen von Sprache, Kultur oder Religion. Diese sollten Menschen verbinden, nicht entzweien. Sein Werdegang war der Frage gewidmet, warum Konflikte in unserer Welt fortbestehen: „Um schwindende Männlichkeit zu behaupten? Einen tiefen Schmerz? Eine alte Kränkung zu rächen?“1 Angesichts seines Lebenswerks wird deutlich, dass Subramanyans Zorn im Mantel der Liebe daherkommt. „Der wahre Anreiz für ein zivilisiertes Leben“, so der Künstler, „kann nur aus der Liebe zur Welt entstehen.“2
— R. Siva Kumar
1 Diese Zeilen sind K. G. Subramanyans Gedicht „Anatomy Lesson“ von 2008 entnommen.
2 K. G. Subramanyan im Interview mit dem Autor, in: New Works: K. G. Subramanyan, Ausst.-Kat. Seagull Foundation for the Arts, Kalkutta 2014, S. 12.