Seit dem Beginn des Aufstands in Syrien im Frühjahr 2011 führt das Kollektiv von Abounaddara einen Krieg der Bilder an mehreren Fronten. An erster Stelle steht dabei der Kampf gegen das syrische Regime: gegen die staatliche Propaganda, gegen die Strategie, während des Aufstands friedlich Demonstrierende zu ermorden, gegen die Bomben, die im Bürgerkrieg auf die Bevölkerung geworfen wurden und werden. Und dann ist da der unerbittliche Feldzug gegen die Berichterstattung über den Syrienkonflikt, in der die tausendundein Gesichter der „Revolution“ von den Mainstream-Medien völlig ausgeblendet werden. Diese Revolution (Abounaddara verwenden nach wie vor dieses Wort, um die Situation im Land zu beschreiben) ist Opfer eines grotesken Blicks von außen, der die Auseinandersetzung auf zwei Protagonisten beschränkt sieht: auf Baschar al-Assads Diktatur auf der einen und extremistische Dschihadisten auf der anderen Seite.
Diese Perspektive beraubt die Menschen in Syrien ihrer Verschiedenartigkeit und reduziert sie auf bloße Statisten in Fernsehberichten, auf namenlose Opfer ohne eigene Stimme. Noch einen weiteren Kampf führt das Kollektiv mit großer Akribie, aber auch mit Humor: Er betrifft die Darstellung von Syrer_innen im Lauf der Geschichte. Ob es um Volneys Voyage en Syrie et en Égypte (1787) und seine Reisen in den Orient geht, um den Film Assassinat de Kléber (1897) der Brüder Lumière, in dem erstmals ein Syrer auf der Leinwand erscheint, oder um die kolonialistischen Erklärungen diverser Herrscher des 20. Jahrhunderts – stets wird das Bild eines archaischen, brutalen und ungebildeten Charakters gezeichnet. In all seinen Produktionen versucht das anonyme Kollektiv die Stereotype, die unseren Blick auf Syrien verstellen, zu widerlegen und die Koordinaten zu verschieben, mit denen wir einen Krieg messen, dessen Gewalttätigkeit längst jede Vorstellung übersteigt –, indem es die Gewalt spürbar macht, ohne dabei auf einen Voyeurismus zurückzugreifen, der das Leid von Frauen und Männern vor der Kamera ausschlachtet. Vor allem aber statten die Filmemacher von Abounaddara das syrische Volk mit etwas aus, das dieses seit März 2011 fordert: mit einem Quäntchen Würde (arabisch karameh). Würde im Hinblick auf das Recht, sich gegen Unterdrückung und Zwangsherrschaft zu erheben; Würde, um der Mischung aus Gleichgültigkeit und Mitgefühl entgegenzutreten, der das syrische Volk nahezu überall begegnet. Daher der finale Kampf, der auch alles andere durchdringt: Es geht um das Recht auf ein Bild, das die Würde jener Menschen respektiert, die im Augenblick gegen unterschiedlichste Formen der Tyrannei kämpfen. Und – letztendlich – darum, die syrische Revolution mit all ihrer Vielfältigkeit und turbulenten Geschichte darzustellen.
— Dork Zabunyan