Es gibt die Angst, dass die Globalisierung verschiedene kulturelle Identitäten gleichschaltet, doch oft setzt sie gerade eine Weltoffenheit frei, die es wiederum möglich macht, dass verschiedene lokale Traditionen nebeneinander existieren können, auch wenn dabei manche Unterschiede verschwinden. Ähnliches lässt sich auch in der Vergangenheit beobachten.
Mit großer visueller Bildmacht wurden in den Darstellungen der buddhistischen Göttin Hariti in Gandhara verschiedene religiöse Gemeinschaften zusammengebracht, indem sie umgeben von Kindern gezeigt wurde, die aus Ägypten, dem Iran, dem Libanon, Syrien, Griechenland und dem indischen Subkontinent stammten. Aus der Perspektive dieser Kinder dürfte die Göttin kaum für alle als die buddhistische Hariti gegolten haben, denn während die Griechen in ihr Demeter sahen, war sie für die Ägypter wahrscheinlich Isis und für die Hindus eine Matrika. In einer Zeit der Diaspora fragen wir uns häufig, wie man ein Bild für viele verschiedene Menschen kommunizierbar macht. Was können wir in diesem Kontext von der Kunst aus Gandhara lernen?
In einem anderen Fall wurde ein Bildnis des Bodhisattva Vajrapani so gestaltet, dass es einerseits für die Anhänger des Zoroastrismus als Porträt Behrams andererseits als Abbild des Römers Herkules gelten konnte.
Dieser Vortrag ist einigen dieser außergewöhnlichen ikonografischen Ausprägungen in Gandhara gewidmet, um zu zeigen, was für Bilder diese multikulturelle Gesellschaft hervorgebracht hat. Bilder, so werden wir sehen, können mehrfache Bedeutungen haben, manchmal auch synkretistisch sein. Besonders deutlich aber macht dieser Vortrag, dass sie in der Lage sind Unterschiede in sich aufzunehmen.
In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut
Naman P. Ahuja ist Spezialist für Indische Bildhauerei und Ikonografie. Er ist Professor für Indische Kunst und Architektur an der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi und Herausgeber von Marg. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Werke veröffentlicht: Als Stipendiat des Ashmolean Museum in Oxford erstellte er einen umfangreichen Katalog der antiken indischen Sammlungen des Museums. Sein Buch The Making of the Modern Indian Artist-Craftsman: Devi Prasad (Routledge, 2011) liefert eine Studie zur Wirkkraft der Kunst- und Kunsthandwerksbewegungen in Indien. The Body in Indian Art and Thought (Ludion, Antwerpen, 2013 – auch in französischer und niederländischer Übersetzung erhältlich) untersucht verschiedene historische und ästhetische Ansätze der Frage, was Menschen dazu veranlasst, Bilder zu fertigen. Seine jüngste Veröffentlichung The Arts and Interiors of Rashtrapati Bhavan: Lutyens and Beyond (Co-Herausgeber mit Partha Mitter, Publications Division of India, 2016), untersucht die politischen Aspekte der Innenarchitektur des Präsidentenpalastes in Indien. Als Kurator war er für Indische Bildhauerei am Britischem Museum zuständig. Darüber hinaus verantwortete er zahlreiche Ausstellungen als freier Kurator und war Gastprofessor an der Universität Zürich, dem Kunsthistorischen Institut in Florenz, der University of Alberta, Edmonton und der School of Oriental and African Studies( SOAS), London, seiner Alma Mater.